Morgenpost

Informationsfreiheit: Alles Gute zum Nicht-Geburtstag

Amtsgeheimnis & Co.: Im Februar 2021 wurde ein Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der die staatliche Geheimniskrämerei in Österreich beenden soll. Angeblich könnte er noch beschlossen werden.

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Österreich ist kein Land, in dem man sich mit Fragenstellen beliebt macht. Zu tief sitzt die „Was geht das den an?“-Mentalität, zu schnell schlägt der „Da könnte ja jeder kommen“-Reflex zu. Nur allzu gut ins Bild passt ein unrühmliches Jubiläum, das sich Mitte vergangener Woche bereits zum zweiten Mal jährte: Am 22. Februar 2021 langte der Entwurf für das sogenannte Informationsfreiheitsgesetz im Nationalrat ein. Dieses Gesetz soll Bürgerinnen und Bürgern deutlich mehr Möglichkeiten geben, Informationen von staatlichen Stellen einzuholen, und damit Transparenz und Kontrolle stärken. Die Regierung erklärte damals bereits die Ära des hartnäckig verankerten Amtsgeheimnisses für beendet. Etwas vorschnell, wie sich zeigen sollte. Obwohl dem Gesetzesentwurf bereits eine jahrelange Debatte vorangegangen war, ist er bis heute nicht beschlossen worden. Der Stand des parlamentarischen Verfahrens nach dem Einlagen im Nationalrat lässt sich in zwei Zeilen zusammenfassen: „Ende der Begutachtungsfrist 19.04.2021“ sowie „20.04.2021 Übermittlung an das Bundeskanzleramt“.

Kaum eine Schublade in Österreich ist tiefer als jene mit gescheiterten Transparenzvorschlägen. Wird auch der aktuelle Entwurf dort landen? Die Regierung behauptet, nein. Gemeindevertreter, die in der Debatte die Rolle der Hauptbedenkenträger spielen, planen hingegen wahrscheinlich schon eine Party für das zehnjährige Nicht-in-Kraft-Treten im Jahr 2031. Während andere Staaten der Bevölkerung längst breiten Zugang zu Daten und Informationen zugestehen, verharrt Österreich im Verhältnis zwischen Bürgern und Obrigkeit weiter im 19. Jahrhundert. Als international recherchierender Journalist holt man sich längst ungläubige Lacher ab, wenn man Kolleginnen und Kollegen aus anderen Ländern ausdeutschen muss, dass man – leider, leider – bei uns keine Anfrage nach dem „Freedom of Information Act“ stellen kann, weil in Österreich eben kein „freedom of information“ herrscht.

Strafandrohung statt Auskunft

Was das in der Praxis heißt, hat mein Kollege Jakob Winter in der aktuellen Ausgabe von profil an mehreren konkreten Beispielen dargestellt. Ein Highlight im negativen Sinn ist eine kritische Bürgerin, die seit 2021 Auskünfte zu einem Grundstücksgeschäft ihrer Gemeinde verlangt. Bis dato ohne Erfolg. Stattdessen organisierte sich die Gemeinde um teures Geld juristischen Beistand und drohte der Frau eine „Mutwillensstrafe in Höhe von bis zu EUR 726“ an. Mathias Huter von der Organisation „Forum Informationsfreiheit“ wiederum will seit fünf Jahren wissen, wem von 2014 bis 2017 im Sonder-Schnellverfahren die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde. Keine Auskunft. Besonders pikant: In einer kurzen luziden Phase der österreichischen Transparenzgeschichte wurden die Namen der neuen Promi-Staatsbürger vom Kanzleramt selbst auf dessen Internetseite veröffentlicht. Dann hieß es plötzlich: „Datenschutz“.

Datenschutz spielt mitunter auch in Bereiche hinein, in denen man es eher nicht erwarten würde. So hat der Staat in den vergangenen Jahren auf Basis der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Firmeneigentümern darüber Auskunft gegeben, ob jemand ihre Daten im Register der wirtschaftlichen Eigentümer (WiEReG) abgefragt hat. (Bis zu einem Urteil des EuGH Ende November 2022 konnte das WiEReG öffentlich eingesehen werden und war auch für profil ein wichtiges Rechercheinstrument – etwa beim Aufspüren von Oligarchen-Vermögen in Österreich.) Der Mehrwert des WiEReG im Vergleich zum Firmenbuch besteht darin, dass in diesem Register – zumindest in einigen Fällen – die tatsächlichen Eigentümer hinter komplizierten Firmenstrukturen offengelegt sind. Oligarchen und Co. dürfen also erfahren, dass jemand ihre Firmendaten abgefragt hat – trotz des potenziellen Risikos, dass der eine oder andere Geldwäscher dadurch gewarnt werden könnte. Dieser Personenkreis erhält auf Basis der Datenschutzgesetze Auskünfte, während sie kritischen Bürgern und Journalisten anderenorts mit Verweis auf den Datenschutz verweigert werden. Ein besonderer Treppenwitz zum zweijährigen Nicht-Geburtstag der Informationsfreiheit in Österreich.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.