Irpin, Butscha, Mariupol, Isjum, Bachmut.
Es sind die frühen Morgenstunden vor einem Jahr, Putin kündigt seine Invasion an, Panzer rollen von mehreren Seiten auf ukrainisches Staatsgebiet. Manche Beobachter hatten dies befürchtet, erwartet - andere kategorisch ausgeschlossen. Der Tag hat die Ukraine - aber auch die Welt verändert.
Meine Kenntnisse in der ukrainischen Geographie waren vor einem Jahr miserabel. Odessa konnte ich verorten, Kiew natürlich auch, aber ich hatte keine Vorstellung von Land und Leuten. Von der Breite des Dnjepr, und das Asowsche Meer hätte ich auch nicht zielsicher auf einer Landkarte eingezeichnet. Ich hätte diese Wissenslücke gerne aus anderen Gründen geschlossen. Bald kam Ort für Ort hinzu auf der Ukraine-Landkarte der Berichterstatter.
Irpin, Butscha, Mariupol, Isjum, Bachmut.
Es sind nur fünf Namen - es könnten fünf andere sein, oder fünfzig oder fünfhundert. Heute rufen diese ukrainischen Namen Bilder hervor von Leid, Verfolgung und Tod. Hunderte Gräber in Isjum, Hunderte Tote in Butscha. Die Belagerung des Asow-Stahlwerks oder die Bombardierung des Theaters in Mariupol. Die Flucht in den ersten Kriegstagen aus Irpin nahe Kiew, die blutigen Kämpfe um Bachmut in den letzten Wochen. Sie stehen exemplarisch für die russische Kriegsführung und für die Schreckensbilder in diesem Jahr. Für Bilder, die nicht aus dem Kopf wollen und können. Und auch nicht sollen.
Auch bei uns im vermeintlich sicheren Westen zeigte der Krieg seine Auswirkungen. Teuerung, Sanktionen, offene Briefe, wie umgehen mit der Neutralität? Reicht das Gas? Und wenn ja welches?
Das ganze Jahr über waren der Ukraine-Krieg - und seine Folgen das bestimmende Thema. Ukrainerinnen und Ukrainer suchten bei uns Zuflucht, seit diesem Jahr leben in Österreich mehr als neun Millionen Menschen. Solidarisch zeigten sich die Bevölkerung, die Regierungen, EU, NATO und USA. Stets abwägend, ob etwa eine Panzerlieferung als Kriegseintritt gewertet werden kann oder nicht.
Doch wie lange hält die Solidarität in Europa? Wie lange ist die Entschlossenheit in der Ukraine da? Was macht China? Und über allem die Fragen: Wie lange? Wie weit? Und was danach?
Es ist ein diffuses Bild, das sich ein Jahr nach dem russischen Angriff zeichnet. profil-Außenpolitik-Chef Robert Treichler schrieb am 26. Februar vor knapp einem Jahr: “Der Kampf der Demokratie gegen die Autokratie wird mühsam, kostspielig und opferreich. Wir müssen ihn gewinnen. Es steht viel auf dem Spiel. Jetzt die Ukraine, bald noch mehr.”
Das gilt wohl noch immer.
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In der aktuellen profil-Ausgabe haben wir uns intensiv mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt. Eine Auswahl: