Morgenpost

Islam: Der feine Unterschied zwischen Skepsis und Hass

Gegen Politiker wie den Niederländer Geert Wilders, die mit Islam-Hass Wahlen gewinnen, scheint kein Kraut gewachsen. Doch Resignation ist fehl am Platz.

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Koran verbieten, Moscheen schließen, den Islam mit dem Nationalsozialismus vergleichen. Gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders, der am Sonntag die Wahlen in den Niederlanden gewann, nimmt sich FPÖ-Chef Herbert Kickl wie ein Sängerknabe aus. Das zeigt: Es geht immer noch extremer. Besonders beim Reizthema Islam. 

Die rechte Welle quer durch Europa gleicht einem Kulturkampf. Je stärker sich die Radikalisierungsspirale dreht, desto lauter warnen Gegner der Rechtspopulisten vor „Islamophobie“ oder antimuslimischem Rassismus. Das ist verständlich. Doch isoliert dieser Zugang selbst Politiker wie Wilders nicht mehr in einer Extremistenecke. Sie sind in die Mitte gerückt, wie ihre Wahlerfolge und Umfragewerte in immer mehr EU-Lädern zeigen. In Deutschland liegt die AfD stabil auf Platz zwei vor der Kanzlerpartei SPD, in Österreich liegt die FPÖ mit großem Abstand vor der SPÖ auf Platz 1. 

Ein wesentlicher Teil Österreichs

Der Islam könnte auch im heimischen Wahlkampf 2024 eine zentrale Rolle spielen. Die restlichen Parteien müssen sich nun entscheiden, wie sie mit dieser neuen Mitte umgehen: Isolieren, ignorieren oder differenzieren - zwischen jenen, die den Islam generell ablehnen und jenen, die ihm skeptisch gegenüberstehen. Eine generelle Ablehnung geht an der Realität Österreichs vorbei. Muslimische Gastarbeiter aus der Türkei haben das Land seit den 1960er Jahren mit eigenen Händen mitaufgebaut. Später rückten Bosnier nach. Ab 2015 Syrer, Afghanen, Iraker. Muslime sind ein wesentlicher Teil des Landes. In immer mehr urbanen Schulen die klare Mehrheit.

Probleme in muslimischen Communities als Minderheitenphänomene abzutun, geht deswegen genauso an der Realität vorbei. Die Problemzonen reichen von muslimischem Antisemitismus, der durch Anti-Israel-Demos („Tod den Juden!“) sichtbar wurde und auf TikTok wütet; über radikal-religiöse Tendenzen an Brennpunktschulen, die derzeit für hektische Aktivitäten der Bildungsdirektionen sorgen (Sittenwächter, Haram-Kultur, Abwertung von Nicht-Muslimen); ostentative Betonung von Geschlechterunterschieden in einem Land, das diese Unterschiede eigentlich überwinden sollte (Fernhalten vom Schwimmunterricht, Trend zu Kinnkopftuch und Abaya); bis hin zur politischen Instrumentalisierung des Islam in Herkunftsländern, die über Moscheen und Medien nach Österreich hineinwirkt (Erdogan, der im religiösen Kontext gegen den "Westen" wettert und die Hamas als Befreiungsbewegung feiert).

Die unsichtbaren Muslime

Negieren - geht nicht mehr. Skandalisieren - macht die FPÖ. Was bleibt? Hinschauen. Draufleuchten. Eingrenzen. Lösen. Und zwar so, dass es Rechtspopulisten schwerer fällt, den Diskurs zu kapern und Probleme bis zur Unkenntlichkeit aufzublasen. Wer Problemzonen eingrenzt, macht die vielen Muslime sichtbar, die außerhalb stehen. Die Tag für Tag ihrem Alltag nachgehen, ohne groß aufzufallen und deswegen nicht vorkommen in aufgeheizten Debatten. Oder wie es der Rabbiner Schlomo Hofmeister im profil-Gespräch mit Imam Ramazan Demir über den Nahostkonflikt an heimischen Schulen ausdrückt: „Provokationen und Hass-Postings kommen immer von Leuten, die eine Agenda haben. Alle anderen, die schweigende Mehrheit, sehen wir nicht.“

Übersehen werden auch viele Wähler, die nicht aus Überzeugung zu blau tendieren, sondern mit Bauchweh. Die mit ihrer Stimme ein Signal an alle anderen Parteien senden wollen, dass sie keine Zustände wie in Pariser Banlieus oder Berlin-Neukölln wollen. Diese Signalwähler auszublenden, wird in Zukunft immer schwerer fallen.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.