Hinterblieben der Opfer des Nova-Festivals gedachten in der Negev-Wüste des Massakers vor einem Jahr
Morgenpost

Ein Jahr Krieg in Nahost: Der 7. Oktober und seine Folgen

Ein Jahr nach dem Massaker der Hamas an Israelis am 7. Oktober 2023 steht der Nahe Osten vor der Eskalation, vor der sich die Welt gefürchtet hat.

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Genau ein Jahr ist vergangen, seit Terroristen der radikalislamischen Hamas den Grenzzaun zu Israel durchbrachen und ein unfassbares Massaker an Zivilisten anrichteten. Rund 1200 Menschen wurden brutal ermordet, Eltern vor ihren Kindern getötet. Das jüngste Opfer war zehn Monate alt. Der Tag markiert eine Zäsur, es war der schlimmste Massenmord an Juden seit dem Holocaust.

Die Hamas verschleppte 250 Menschen nach Gaza, darunter den österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürger Tal Shoham. profil-Außenpolitikredakteurin Franziska Tschinderle hat mit seinen Angehörigen gesprochen. Shohams Familie, seine Mutter, Ehefrau und Kinder (auch sie wurden von der Hamas entführt, kamen im November im Zuge eines Deals aber wieder frei) haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er nach Hause zurückkehrt.

Doch die jüngsten Entwicklungen in Nahost bedeuten nichts Gutes für jene rund hundert Menschen, die sich nach wie vor in den Händen der Hamas befinden. Ein Abkommen Israels mit der Hamas über die Freilassung der Geiseln stand von Anfang an in Widerspruch zum Ziel von Premier Benjamin Netanjahu, die Terrororganisation um jeden Preis zu zerschlagen.

Mit den jüngsten Eskalationen ist das Anliegen der Geiseln und ihrer Angehörigen noch weiter nach hinten gerückt.

Der Konflikt ist zum Flächenkrieg geworden, Israel befindet sich in einer direkten Konfrontation mit dem Erzfeind Iran.

Die Logik der Eskalation

Die Alliierten des Iran in der Region, allen voran die Hisbollah im Libanon, feuern bereits seit einem Jahr Raketen auf Israel. Doch vergangene Woche schickte der Iran innerhalb kurzer Zeit bis zu 200 Raketen auf zivile und militärische Ziele, darunter die Städte Jerusalem und Tel Aviv – und der Krieg hat eine neue Dimension erreicht. Aus der Sicht Teherans war der Angriff die Rache für die gezielte Tötung mehrerer hochrangiger Personen aus dem Umfeld der iranischen Führung, darunter Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und Hamas-Führer Ismail Haniyyeh.

Jetzt ist wiederum Israel am Zug, seinerseits Vergeltung zu üben. So will es die Logik der Eskalation, und so hat es Netanjahu bereits angekündigt. „Es sieht nach Krieg aus in der gesamten Region“, schreibt profil-Außenpolitikchef Robert Treichler in einem Kommentar zum Thema, und: „Keiner der Beteiligten will zurückstecken, jeder sieht in der Fortsetzung von Waffengewalt einen Vorteil.“

Das Leid trägt wie immer die Zivilbevölkerung. Die Menschen im zerbombten Gaza, wo seit Kriegsbeginn mehr als 40.000 Todesopfer zu verzeichnen sind und es keinen sicheren Ort mehr gibt; die Bürgerinnen und Bürger Israels, für die der Schock des 7. Oktober nicht nachgelassen hat, das Trauma nicht abgeschlossen ist.

Die offene Wunde Israels

„Solange die Hamas Geiseln in Gaza in ihrer Gewalt hat, ist der 7. Oktober für die Israelis eine offene Wunde“, sagt der jüdische Schriftsteller Doron Rabinovici im Gespräch mit profil.

Das Leid tragen auch die Menschen im Südlibanon, wo die israelische Armee das erste Mal seit 18 Jahren eine Bodenoffensive gestartet hat, und die Menschen in Beirut, die Angehörige durch israelische Bombenangriffe verloren haben.

Das Leid spielt sich im Nahen Osten ab, aber der Krieg betrifft die gesamte Welt. Seit dem Großangriff auf Israel von vergangener Woche steht der Westen wieder geschlossener hinter Israel, doch die Risiken sind damit noch einmal größer geworden. Viel wird davon abhängen, wie Israel nun darauf reagiert.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.