Karl Nehammer: Helfen Alkohol und Psychopharmaka im U-Ausschuss?
Wer kein Wiener ist, aber hin und wieder mit einem zu tun hat, weiß: Der Wiener ist nicht gerade freundlich. Auch die Wienerin trägt gern ihren Grant im Gesicht. Diese Alltagswahrnehmung wurde nun auch per weltweiter Umfrage unter 12.000 so genannten Expats bestätigt. Dabei handelt es sich um – meist besserverdienende – Menschen, die im Ausland leben und arbeiten. Im „Expat City Ranking 2022“ der Organisation „Internations“ belegt Wien in der Kategorie „Freundlichkeit“ den letzten Platz unter 50 Städten. Das Ergebnis ist kraft Empirie plausibel. Allerdings: Es gibt gar nicht so viele autochthone Wiener, wie man glaubt. Sehr viele Einwohnende der Bundeshauptstadt haben Migrationshintergrund und noch viel mehr Bundesländer-Vergangenheit. Soll heißen: Am schlechten Image von Wien sind auch Zuwanderer und Zugereiste schuld. Offenbar macht die Stadt aus fröhlichen Südosteuropäern und Westösterreichern Misanthropen.
Nun wissen wir aber nur zu gut, dass man Umfragen auch manipulieren kann. Die ÖVP entwickelte dafür sogar ein eigenes Werkzeug, das so genannte „Beinschab-Tool“. Und zudem wissen wir von der SPÖ, dass die Volkspartei unter Kanzler Sebastian Kurz hinterfotzigstes Wien-Bashing betrieb. Im Umgang mit auf Umfragen basierender Kritik an der Bundeshauptstadt sollte man daher vorsichtig sein. Kurz war übrigens kein typischer Wiener, sondern – zumindest nach außen – immer freundlich. Wären alle Wiener wie Kurz, wäre Wien in den Umfragen die freundlichste Stadt der Welt.
Karl, der Ironiker
Auch Karl Nehammer zählt zu den fröhlichen Wienern, mit Ausnahme der vergangenen Wochen. Da soll er bisweilen schlecht drauf gewesen sein, wie Ihr Morgenpostler aus der ÖVP vernahm. Jetzt ist er rechtzeitig zum Jahrestag seiner Beförderung wieder fit. Am 6. Dezember 2021 war der damalige Innenminister als Bundeskanzler angelobt worden. Leicht hatte er es seitdem nicht: Corona, Putin, Inflation. Gegen die Unbilden unserer Zeit empfahl Nehammer im Sommer seinen Parteifreunden in Tirol die Einnahme von „Alkohol oder Psychopharmaka“. Dabei gilt die ÖVP doch als Familienpartei. Was irgendwer dem Chef auch verklickert haben dürfte: Denn der versprach, fürderhin seine „Ironie“ sparsamer einzusetzen. Was Ihr Morgenpostler bedauert: Etwas mehr Ironie würde der ÖVP guttun, auch in eigener Sache.
Am Montag wurde Sebastian Kurz von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einvernommen, gestern brachte die WKStA eine erste – nicht rechtkräftige – Anklage gegen Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin ein und heute Vormittag muss Nehammer vor dem ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss Auskunft erteilen, schon zum zweiten Mal.
Es geht um seine Zeit als ÖVP-Generalsekretär von 2018 bis 2020. Mit Schonung durch die Oppositionsabgeordneten darf der Kanzler abermals nicht rechnen. Vor allem Jan Krainer (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) werden ihn nicht gerade freundlich behandeln. Kein Wunder: Beide sind Wiener.
Bleiben Sie freundlich!
Gernot Bauer