Alexander Van der Bellen
Morgenpost

Regierungsbildungs-Auftrag? Nie wieder!

Österreich bekommt eine Regierung, ohne dass der Präsident jemanden mit deren Bildung beauftragt hätte. Gut so! Weiter so!

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Spätestens am Donnerstag soll ein Koalitionsprogramm präsentiert und die neue schwarz-rot-pinke Regierung kommenden Montag bereits angelobt werden. Es wird den Endpunkt einer politischen Phase markieren, die in vielfacher Hinsicht besonders war: In der Geschichte der Zweiten Republik haben Koalitionsverhandlungen noch nie so lange gedauert wie dieses Mal (im Schnitt brauchte es 65 Tage um ein Kabinett zu bilden, mit dem heutigen Tag sind es 158 Tage), erstmals wird Österreich von einer Dreierkoalition regiert. Und sie wird zum zweiten Mal ohne den sogenannten Regierungsbildungsauftrag zustande gekommen sein (erstes Mal war Schwarz-Blau I) – gut so und hoffentlich der Anfang vom Ende dieser sinnlosen Polit-Folklore.

Was war das auch für ein Gezerre um diesen ominösen Regierungsbildungsauftrag, etwas, das in Wahrheit gar nicht existiert. Die Verfassung sieht ihn jedenfalls nicht vor. Dass der Bundespräsident den Chef der stimmenstärksten Partei mit der Bildung einer Regierung betraut, ist zwar gelebte Praxis, mehr aber auch nicht. Wie sehr diese alte Tradition ausgedient hat, konnte man in den vergangenen Monaten beobachten. Anstatt Klarheit zu schaffen, hat sie nur für böses Blut gesorgt:

Van der Bellen hatte diesmal nicht zuerst FPÖ-Obmann Herbert Kickl, den Chef der stimmenstärksten Partei, mit der Koalitionsbildung beauftragt, sondern Karl Nehammer von der zweitplatzierten ÖVP. Van der Bellen argumentierte zwar seinen Schritt damit, dass keine Partei mit der FPÖ zusammenarbeiten wollte. Dennoch hatten die Blauen Van der Bellens Entscheidung zurecht als Foul aufgefasst. Denn in der Logik des Regierungsbildungsauftrags ist es eigentlich nicht die Sache des Bundespräsidenten darüber zu urteilen, was derjenige, der ihn erhält, daraus macht. Wenn man schon an dieser Usance festhält, dann richtig – genau das tat Van der Bellen nicht. 

Er interpretierte die Usance nach Gutdünken – etwas, das seiner eigenen Reputation wohl am meisten geschadet hat. Seine Überparteilichkeit konnte dadurch zurecht in Zweifel gezogen werden. Denn Van der Bellen machte in der Vergangenheit nie einen Hehl daraus, dass Kickl nicht sein Wunschkandidat für das Amt des Regierungschefs war. Der Bundespräsident hatte es auch stets offengelassen, ob er Kickl überhaupt zum Bundeskanzler angeloben würde. Selbst viele aus der ÖVP, denen Van der Bellen bei der Regierungsbildung zunächst den Vortritt ließ, identifizierten seine Entscheidung als Fehler – zwar im Nachhinein, aber immerhin.

Denn dass es sehr wohl auch anders ging, zumindest Koalitionsverhandlungen möglich waren, zeigte die Phase nach dem Platzen der ersten Dreier-Verhandlungen: Die ÖVP, die Stein und Bein geschworen hatte, diesmal nicht mit der FPÖ unter Kickl koalieren zu wollen, demontierte kurzerhand ihren eigenen Bundesparteiobmann und Bundeskanzler Karl Nehammer, um sich dann doch mit den Blauen an den Verhandlungstisch zu setzen. Kickl hatte nun endlich seinen Regierungsbildungsauftrag; dass er nichts daraus machte, ist eine andere Geschichte. Kickl gab diese Symbol-Vollmacht schließlich wieder in der Hofburg ab und da blieb sie auch. Dort kann sie für alle Zeiten bleiben und ihren Weg ins Archiv finden. 

So grob Van der Bellens Vorgehen nach der Wahl, so elegant sein letzter Kniff. Nach dem Ende der blau-schwarzen Verhandlungen hatte er es jedenfalls tunlichst vermieden, den Regierungsbildungsauftrag auch nur zu erwähnen, geschweige denn ihn erneut jemandem zu erteilen. An wen hätte er ihn auch weiterreichen sollen? Etwa an Christian Stocker von der ÖVP, dessen Partei bisher in beiden gescheiterten Versuchen eine Regierung zu zimmern beteiligt war? Oder an SPÖ-Parteichef Andreas Babler, vielleicht hätte er es probieren sollen? Und wenn er es nicht schafft, Beate Meinl-Reisinger, Neos? Und dann vielleicht Werner Kogler von den Grünen? Wäre das logisch und wäre es fair? Wo wäre dieses Regierungsbildungsauftrags-Bingo geendet?

Vielleicht ist in Zeiten, in denen Mehrheitsfindungen immer schwieriger werden, die Frage nach Logik und Fairness zweitrangig; vielleicht ist die Frage der Machbarkeit dringlicher. Und vielleicht ist Machbarkeit wahrscheinlicher, wenn man konkret macht, anstatt unnötig zu markieren; und auf etwas zu pochen oder sich wegen etwas zu grämen, das gar nicht existiert.

Nina Brnada

Nina Brnada

Redakteurin im Österreich-Ressort. Davor Falter Wochenzeitung.