EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die italienische Regierungschefin Giorgia Melonia begrüßen UN-Mitarbeiter auf der Insel Lampedusa.
Morgenpost

Können wir mit Drittstaaten Migration kontrollieren?

Mehrere europäische Länder verfolgen derzeit den Plan, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen. Ist das sinnvoll und vor allem: Ist das rechtens?

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Welche Beispiele waren zuletzt in Bezug auf Asylverfahren in Drittstaaten im Gespräch? Und worum geht es? Ein Überblick. 

Tunesien – der geplatzte Deal 

Tunesien ist eines der Haupttransitländer für Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten auf dem Weg nach Europa. Eine Mehrheit der Boote, die Italien ansteuern, legen nicht mehr von Libyen ab, sondern von der tunesischen Küste. Die gefährliche Reise endet für viele tödlich. Derzeit sieht die Realität so aus: Nur wer sein Leben riskiert, kann einen Asylantrag in der EU stellen. Und: Auch wer keinen Schutzstatus erhält, wird in der Regel bleiben. Denn Italien führt jedes Jahr nur wenige hundert Menschen zurück. 

Die EU will erreichen, dass weniger Schlepperboote nach Europa kommen, und handelte mit Tunis einen Deal aus: Brüssel schickt Geld, Tunis bekämpft die Schleuser. 

Doch am Ende wollte Tunesien das Geld nicht. Tunesien „nimmt nichts an, was Gnaden oder Almosen ähnelt", erklärte Präsident Kais Saied. Nachhaltig war dieser Deal ohnehin nie. Tunesien hätte keine Asylverfahren für die EU abwickeln können, weil entsprechende Gesetze fehlen. Tunesien ist auch kein sicherer Drittstaat. Noch während der Verhandlungen mit der EU wurden Migranten dort in der Wüste ausgesetzt. 

Ruanda – derzeit noch auf Eis 

Die Regierung in London plant, irregulär nach Großbritannien eingereiste Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrags festzuhalten und so bald wie möglich nach Ruanda abzuschieben, wo sie dann um Asyl ersuchen sollen. Das Vorhaben wurde im Sommer von britischen Gerichten vorerst gestoppt. Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält das Modell dennoch für ausbaufähig. Nicht die Behörden Ruandas, sondern das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sollen die Asylverfahren durchführen. Damit wären faire Verfahren garantiert. In diesem Szenario könnte beispielsweise auch Italien Menschen nach Ruanda schicken. 

Italien und Albanien – Alleingang ohne Sinn 

Aber Italien hat bereits ein anderes Partnerland gefunden. Die weit rechtsstehende Ministerpräsidentin Giorgia Meloni steht unter Druck. Sie hat versprochen, die Anzahl der Ankömmlinge zu verringern. Seit ihrem Amtsantritt vor einem Jahr war allerdings das Gegenteil der Fall, die Zahlen sind angestiegen. Jetzt soll der Nachbar auf der anderen Seite der Adria helfen: Albanien, ein EU-Anwärter, der – anders als Italien – nicht mit Zu,- sondern mit Abwanderung zu kämpfen hat. Worum es in dem Deal geht, lesen Sie hier

In aller Kürze: Albanien wird wohl bald an seine Grenzen stoßen, weil Tirana die abgewiesenen Asylwerber (ebenso wie Italien) nicht in ihre Herkunftsländer zurückführen kann. Viele, die über Italien kommen, haben keine Aussicht auf Asyl. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie sich entlang der Balkanroute nach Westeuropa durchschlagen. Das ist ein riskantes Unterfangen, denn die Route wird für Migranten immer gefährlicher. Mehr über die Brutalität der EU-Außengrenze lesen Sie in dieser Reportage.

Das Abkommen mit Albanien wird das Sterben im Mittelmeer wohl nicht bekämpfen. Es verschiebt Menschen, die bereits ihr Leben riskiert haben, von einer Seite der Adria auf die andere. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.