Kohle für den Öko-Sozialstaat
Unbeständig, kühl, windig; zwischendurch auch etwas Sonne: Der heutige Tag erfüllt fast klischeehaft alle Assoziationen, die man mit dem Begriff „Aprilwetter“ haben kann. Die Hitzewelle der vergangenen Tage – mit Rekordwerten vielerorts – ist zwar vorbei, der Klimawandel deshalb aber noch längst nicht abgesagt.
Das stellt auch den heimischen Sozialstaat vor Herausforderungen. Denn wie zahlreiche Studien zeigen, sind Kosten und Schäden durch Klimakrise und Umweltverschmutzung ungleich verteilt. Die, die am meisten von Umweltbelastungen betroffen sind, sind meist nicht diejenigen, die überdurchschnittlich dazu beitragen.
Im Auftrag von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) haben sich Forscherinnen und Forscher über die Zukunft des Sozialstaats Gedanken gemacht. Der Beitrag der Experten der Österreichischen Nationalbank wurde zuletzt höchst kontrovers diskutiert. Die Forderung nach einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer wurde, vorsichtig ausgedrückt, nicht von allen goutiert.
Wissenschafterinnen und Wissenschafter von Wifo (Wirtschaftsforschungsinstitut) und abif (Wissenschaftliche Vereinigung für Analyse, Beratung und interdisziplinäre Forschung) wiederum, knöpfen sich im aktuellen Sozialbericht des Sozialministeriums sechs konkrete Handlungsfelder vor und loten aus, was es für eine Umgestaltung in einen Ökosozialstaat braucht. Und kommen dabei zu ganz ähnlichen Schlüssen.
Silodenken überwinden
Einerseits geht es darum, vulnerable Gruppen wie Kinder, ältere Menschen und Arbeitskräfte, die ganz besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, zu schützen und negative soziale Folgen von Anpassungsmaßnahmen abzufedern. Andererseits müssen alle Maßnahmen so gestaltet sein, dass der CO2-Fußabdruck verringert wird.
„Das Silodenken in Umwelt- und Sozialpolitik ist zu überwinden“, fordern die Autorinnen und Autoren. Und versuchen sich auch selbst darin. Der erhöhten - und volkswirtschaftlich kostspieligen - Krankheitslast, etwa aufgrund von Hitze und Naturkatastrophen, soll, bevor man sie medizinisch behandeln muss, schon vorbeugend begegnet werden. Und so sind im Kapitel „Gesundheit“ an erster Stelle Vorschläge für stadt- und raumplanerische Maßnahmen zu finden: Entsiegelung, Begrünung, Beschattung, Beachtung von Kalt- und Frischluftschneisen.
Die weiteren Handlungsfelder befassen sich mit Familienpolitik, Wohnen, Mobilität und Erwerbsarbeit. Die vorgeschlagenen Maßnahmen bilden die gesamte Palette staatlicher Interventionen ab und reichen von Bewusstseinsbildung, über Förderungen, Steuern, Infrastruktur bis hin zu Regulierungen. Einiges davon wurde bereits vielfach gefordert, wie etwa Qualifizierungsmaßnahmen für Green Jobs, Kostenwahrheit in der Mobilität und Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Vermögenssteuer schwierig umzusetzen
Auch über die Finanzierung haben sich Wifo und abif Gedanken gemacht. „Der Klimawandel beziehungsweise eine unzureichende Klimapolitik sind mit erheblichen bereits spürbaren Kosten beziehungsweise künftigen budgetären Risiken verbunden“, heißt es in der Studie. Um diese zu stemmen, schlägt das Autorenteam rund um die Ökonominnen Margit Schratzenstaller und Angela Köppl vor, die Abgabenbelastung aufkommensneutral weg vom Faktor Arbeit hin zu Umweltsteuern und vermögensbezogenen Steuern zu verschieben. Konkret: Senkung der Lohnsteuer, aber auch der Sozialversicherungsbeiträge. Dadurch wäre die Finanzierung unabhängiger von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Die Einnahmenausfälle sollen durch eine ambitioniertere CO2-Bepreisung sowie weiter Kfz-Steuern kompensiert werden. Außerdem sollen kontraproduktive Subventionen wie Pendlerpauschale und Dieselprivileg abgeschafft beziehungsweise klimafreundlich und treffsicherer ausgestaltet werden. Weiters soll die Grundsteuer stärker genutzt werden.
Zudem könnte „die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer einen Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit und zu einer Verringerung der Vermögensungleichheit leisten“, schreiben die Autorinnen. Von einer allgemeinen Vermögenssteuer für besonders Reiche, wie sie die Kollegen von der Österreichischen Nationalbank in ihrer ebenfalls im aktuellen Sozialbericht erschienen Studie fordern, hält das Wifo-/abif-Autorenkollektiv weniger: Zum einen sei es zweifelhaft, ob sie ausreiche, um den CO2-Fußabdruck der sehr Vermögenden einzudämmen. Zum anderen sei sie in Österreich schwierig umzusetzen und mit höheren Ausweichreaktionen verbunden als eine Erbschafts- und Schenkungssteuer.
Da kennt jemand seine Pappenheimer.