Ein "Equal Pay Day" Luftballon fliegt herum
Morgenpost

„Konservative Normen” befördern Gehaltseinbußen von Frauen

Frauen verdienen in Österreich noch immer deutlich schlechter als Männer. Der „Equal Pay Day“ macht darauf aufmerksam. Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Instituts Eco Austria erklärt, warum sich die Lohnschere nicht schließt - und was helfen würde.

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Zu Halloween heißt es vielerorts: „Süßes oder Saures“. Sauer stößt es am heutigen 31. Oktober aber vor allem Frauen auf, denn auf diesen Tag fällt der „Equal Pay Day“, das bedeutet: Statistisch gesehen arbeitet eine Frau durchschnittlich ab heute bis zum Jahresende gratis. Der Aktionstag weist jährlich auf den „Gender Pay Gap“ hin, also auf die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, die in Österreich 15,5 Prozent ausmacht.

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des wirtschaftsnahen Forschungsinstituts Eco Austria warnt im Gespräch mit profil davor, allzu viele Hoffnungen in die Lohntransparenz zu setzen. Es sei selbstverständlich wichtig über Gehälter zu reden, mehr Transparenz zu fördern, die Lösung liege aber woanders, betont sie. Mit einer Studie konnte Köppl-Turyna zeigen, wie wenig Effekt die bisherige Transparenzreglung - die seit 2011 gilt - gebracht hat. Laut einem EU-Plan sollen künftig auch Unternehmen mit geringerer Beschäftigtenzahl Bericht über Gehälter vorlegen müssen - Köppl-Turyna ist skeptisch. 

Die Haupttreiber für den Gender-Gap liegen woanders, es gibt vier Gründe dafür.

Grund 1: Konservative Normen

Eine Vollzeit beschäftigte Frau in Österreich verdient laut dem Gehaltsreport 2023 der Jobbörse Stepstone durchschnittlich 45.599 Euro, das sind 8.340 Euro brutto weniger pro Jahr als ein männlicher Kollege. Aktuell ergibt das eine Lohnkluft von 15,5 Prozent. Nimmt man die exakt selben Berufscharakteristika für die Berechnung her, spricht man von „bereinigten Zahlen“- hier sind es noch immer 11,3 Prozent weniger Gehalt.

Die meisten Frauen kommen aber erst gar nicht zu einer Vollzeitstelle oder in eine Führungsposition. „Die Tatsache, dass Österreich ein Schlusslicht bei diesem Thema“ ist, liege zum Teil an „gesellschaftlich konservativen Normen“, meint Köppl-Turyna. Im internationalen Vergleich, zum Beispiel mit Schweden, liegt Österreich gemeinsam mit Deutschland und der Schweiz weit hinten, wenn es um die Aufteilung der unbezahlten Familienarbeit geht, sagt die Expertin. Regional sieht man auch Unterschiede: Der „Equal Pay Day” finde zum Beispiel in Wien am spätesten im Jahr statt.

Internationale Umfragen zeigen, dass Frauen automatisch in die Rolle der Betreuerinnen von Kindern, Angehörigen und Haushalt gedrängt werden, sie aber auch öfter freiwillig einnehmen. Der Effekt: Frauen suchen Jobs mit „mehr Flexibilität“, erklärt Köppl-Turyna. Das bedeutet: Keine Überstunden, Möglichkeiten zu häufigem Home-Office und Teilzeitarbeit. Alles Hindernisse für Beförderungen, sagt die Forscherin. Das passiere sogar bei identischen Ausbildungswegen von Männern und Frauen, bestätigt auch Claudia Godwin, die heuer für ihre Forschung zu Geschlechterunterschieden in der Arbeitswelt mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Sich am Nachmittag Zeit für die Kinder zu nehmen, bedeute häufig, die Karriere schleifen zu lassen, erklärt Köppl-Turyna. Auch die Entscheidung für weniger Lohn und mehr Erziehungs- Zeit, würden Frauen öfter in Kauf nehmen. Auch wenn beide Partner im Home-Office arbeiten, sehe man einen deutlichen Hang dazu, dass Frauen weiterhin die Care-Arbeit (etwa: Haushalt und Kinderbetreuung) leisten. Das sei „faszinierend und zugleich traurig“, sagt die Expertin.

Was auch mit hineinspiele, seien „ökonomische Entscheidungen“ innerhalb der Familie. Wenn die Frau vor der Mutterschaft bereits weniger verdient hat als der Mann, erscheint es vielen Familien „logisch“, wenn er weiter arbeiten gehe.

 

Grund 2: Mögliche Mutterschaft

Die Mutterschaft allein erklärt den Pay-Gap aber nicht ausreichend, wie eine neue Analyse von Claudia Goldin zeigt, die gemeinsam mit Claudia Olvetti Gründe für Einkommenslücken zwischen Männern und Frauen herausgearbeitet hat. Denn egal ob eine Frau Mama wird oder nicht: Allein die Möglichkeit, dass Frauen Mütter werden könnten, führt zu einer Benachteiligung beim Karriereweg und damit zu weniger Gehalt. Goldin und Olivetti nennen das Motherhood penalty: Die „Mutterschaftsstrafe“. Diese steht im Gegensatz zur „Vaterschaftsprämie“ (Fatherhood premium), der zufolge sich die Geburt eines Kindes positiv auf das Einkommen des Vaters auswirkt. Als dritten prägnanten Grund für den Gender Gap nennen die Forscherinnen das simple Frausein: The price of being a female.

Grund 3: Berufswahl  

Frauen würden von „klein auf“ für Berufe begeistert, die schlechter bezahlt sind, wie beispielsweise im Einzelhandel, in der Kinderbetreuung oder Pflege. Außerdem arbeiten Frauen meist in kleineren Unternehmen, die ebenfalls im Niedriglohnsektor verortet sind. Hier würden Lohntransparenzgesetze nichts bringen, betont Köppl-Turyna. Das bestätigt auch das arbeitnehmernahe Momentum Institut: Acht von zehn Personen, die Vorstands- oder Führungspositionen innehaben, sind männlich und haben einen durchschnittlichen Bruttostundenlohn von 51,4 Euro, während von zehn Friseur:innen neun weiblich sind und durchschnittlich 12,5 Euro brutto pro Stunde bekommen. 

Grund 4: Niedrige Erwartungen

In der Regel bieten größere Unternehmen höhere Gehälter. Dieser Verhandlungsspielraum birgt jedoch auch das Potenzial für eine größere Gehaltsungleichheit zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeiter:innen. In den ersten fünf Jahren ihrer Karriere beträgt die Gender-Lohnkluft etwa zehn Prozent. „Unsere Umfragen unter Studenten zeigen, dass weibliche Studierende, die ins Berufsleben eintreten, bereits etwa 7000 Euro weniger Gehalt erwarten als ihre männlichen Kommilitonen“, erklärt Nikolai Dürhammer, Geschäftsführer von Stepstone Österreich & Schweiz in einer Presseaussendung. Im Laufe ihrer Karriere wird die Gehaltslücke größer, auch aufgrund verpasster Karrierechancen während oder nach der Mutterschaft und aufgrund von Betreuungspflichten. Bei Beschäftigten mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung liegt die Gehaltsdifferenz bereits bei 17,4 Prozent.  

Die Lösung

Nach Lösungen für die Gehaltsschere gefragt, sagt Köppl-Turyna von Eco Austria: „Ganz klar der Ausbau der Kinderbetreuung“, die an allen Ecken „mangelhaft“ sei. In diesem Punkt verspricht die Regierung Besserung: Fünf Milliarden Euro sollen in den Ausbau von Krippen und Kindergärten fließen. Bis das Geld aber tatsächlich ankommt, sei es laut Köppl-Turyna wichtig, Berufswahl und -aussichten bei jungen Frauen stärker zu thematisieren, damit langfristig rationale Entscheidungen getroffen werden können. 

Karolina Heinemann

hat im Rahmen des 360° JournalistInnen Traineeship für das Online-Ressort geschrieben.