Eine Gewerkschafterin, die bei Arbeitslosen nachschärfen muss
„Erstaunlich stabil“, bezeichnete Sozialminister Korinna Schumann (SPÖ) den Arbeitsmarkt. Erstaunlich stabil – das ließe sich angesichts des enormen Budgetdrucks auch über die Bundesregierung sagen. Immerhin wird das vereinbarte Regierungsprogramm abgearbeitet. Zumindest möchte sich die Bundesregierung trotz der sich geänderten Vorzeichen und der größer gewordenen Herausforderung beim Sanieren der Staatsfinanzen nicht davon abbringen lassen.
Während international mit Strafzöllen jongliert wird, die heimische Wirtschaft auf das dritte Rezessionsjahr in Folge zusteuert und Firmen nach der Reihe in die Insolvenz schlittern, ist man hierzulande von Massenarbeitslosigkeit noch ein gutes Stück entfernt. Zwar stieg die Arbeitslosigkeit im März im Vergleich zum Vorjahr um 8,5 Prozent auf 315.000 Personen – aber liegt die Quote mit 5,5 Prozent weiterhin unter dem Euroschnitt von 5,8 Prozent.
Dennoch sieht die Regierung Spielräume, um am Arbeitsmarkt nachzuschärfen. Der Zuverdienst während der Arbeitslosigkeit – derzeit 551 Euro – wird eingeschränkt. Kritiker wie die industrienahe Agenda Austria sehen darin einen überfälligen Schritt: Der Zuverdienst habe einen „negativen Anreiz“ geschaffen, sich einer Vollzeitbeschäftigung zu entziehen.
Zyniker werfen manchen Arbeitslosen gar vor, sich mit Arbeitslosengeld, geringfügigem Job und Schwarzarbeit ein komfortables Leben zu finanzieren. Ob die neue Zuverdienstsperre dem Pfusch tatsächlich einen Riegel vorschieben kann, ist fraglich.
Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) ist die Zuverdienstquote besonders hoch bei Frauen, nicht-österreichischen Staatsbürgern und Menschen mit Kindern. Wifo-Studienautor Benjamin Bittschi analysiert: wer dazuverdient, erhält meist ein geringeres Arbeitslosengeld - besonders positiv: „Für Personen, die sich typischerweise länger in Arbeitslosigkeit befinden, hat der Stepping-Stone-Effekt (Anm: Eingliederung in den Arbeitsmarkt), der geringfügigen Beschäftigung eine größere Bedeutung.“
Zugegebenermaßen, viel Gestaltungsspielraum blieb der Regierung nicht. Bereits im Jänner hatte Ex-Finanzminister Gunter Mayr die Sparmaßnahme an Brüssel gemeldet. Einsparpotenzial: 80 Millionen Euro. Dass nun ausgerechnet die rote Sozialministerin Schumann diese unpopuläre Maßnahme verkünden muss, sorgt bei der eigenen Fraktion der Gewerkschaften für Zähneknirschen.
Arbeitslos und beschäftigt
„Dem AMS wird unterstellt, Arbeitslose in Ruhe zu lassen, sobald sie geringfügig beschäftigt sind – das stimmt nicht“, sagt Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt in der Arbeiterkammer. Wer dazuverdiene, sei genauso verpflichtet, Beratungstermine wahrzunehmen und Bewerbungen zu schreiben wie andere Jobsuchende. Dass die Streichung nun automatisch in reguläre Beschäftigung münden soll, sieht sie differenziert: „Ich kann nur eine geringfügige Beschäftigung annehmen, wenn mir auch eine angeboten wird – typischerweise in Gastronomie, Handel oder Reinigung.“ Für Firmen seien geringfügige Beschäftigte attraktiv: mehr Personal bei weniger Stunden – das bringe Flexibilität. Ein zusätzlicher Anreiz: die Sozialabgaben für diese Beschäftigten übernimmt die Allgemeinheit.
Immerhin: Für Langzeitarbeitslose (über zwölf Monate) und „Härtefälle“ soll es Ausnahmen geben, wie vom Wifo empfohlen wurde. Unter solchen Härtefällen versteht die Gewerkschaft vor allem gesundheitlich eingeschränkte oder ältere Personen, für die der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt besonders schwierig ist.
Erstaunlich bleibt: Unter sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung werden auffällig viele arbeitnehmerfeindliche Maßnahmen umgesetzt: die Abschaffung der Bildungskarenz, die Anpassung des Pensionsantrittsalters für Frauen und zuletzt die Einschränkung des Zuverdienstes. Ist das die rote Kehrtwende strukturelle Reformen durchzupeitschen?
Der Arbeitsmarkt sendet die ersten positiven Signale. „Dass die Beschäftigungsquote der Frauen deutlich angestiegen ist, ist eine äußerst gute Nachricht“, sagt Christine Mayrhofer im Ö1-Mittagsjournal. Gleichzeitig betont sie aber: „Die Arbeitslosigkeit der Frauen ist im letzten Jahr um rund 10.000 gestiegen – über 2.000 davon in der Gruppe der 60-plus“. Damit liege nach wie vor ein strukturelles Problem vor.
In der Gewerkschaft blickt man währenddessen der budgetären Realität ins Auge.
„Gesunde Lebensjahre müssen wie gesunde Arbeitsjahre mehr werden. Die aktuellen Maßnahmen haben auch das Ziel, Einsparungen zu erzielen, ohne das gesetzliche Pensionsantrittsalter anheben zu müssen“, sagt Hofbauer. Man suche nach den „gelindesten Eingriffen“, die die Menschen möglichst wenig in ihrem Leben beeinträchtigen.
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