Morgenpost

KTM: Wie wird man zigtausende Motorräder bis Weihnachten los?

Der Zweiradhersteller sitzt auf einem Haufen, unverkauften Motorrädern. Der Finanzbedarf ist massiv und zahlreiche Mitarbeiter verbringen Weihnachten wohl beim AMS.

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Suchen Sie schon Weihnachtsgeschenke? Wie wäre es mit einem Motorrad?  Die gibt es gerade im Angebot bei KTM. Man spart sich die Mehrwertsteuer auf den Listenpreis und obendrauf wird die Garantie verlängert. Je nach Modell zahlt man so schon mal 1000 bis 4000 Euro weniger. Mit der großzügigen Rabattaktion sollen bis Jahresende möglichst viele Kunden angelockt und so viele Motorräder wie möglich verkauft werden. Ein Verzweiflungsakt?

Wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr, sitzt der Konzern aus Mattighofen auf rund 100.000 fertiggestellten Motorräder im Wert von fast 1,4 Milliarden Euro. KTM gehört zum Hause Pierer Mobility des Industriellen Stefan Pierer. "Lagerbestände und Verkaufsziele kommentieren wir zwischen den Terminen für die Pflichtberichterstattung nicht", sagt eine Unternehmenssprecherin dazu. 

Der eigentlich erfolgsverwöhnte Motorrad- und E-Bike-Hersteller KTM mit Sitz im oberösterreichischen Mattighofen ist heuer zum Sinnbild der massiven Industriekrise geworden. Anfang des Jahres ist der Absatz um ein Fünftel eingebrochen. Der Umsatz ist im ersten Halbjahr um 27 Prozent gesunken. 

Die Schulden sind explodiert: von nicht ganz 300 Millionen im Vorjahr auf 1,5 Milliarden Euro, netto. Also ungefähr auf jenen Betrag, der jetzt in Form von (noch) nicht verkauften Motorrädern auf Lager liegen soll. 

Wer rettet KTM?

Die Situation ist jedenfalls so angespannt, dass KTM dringend eine Finanzspritze im dreistelligen Millionenbereich braucht, wie Pierer Mobility als Konzernmutter bereits bekanntgab. Derzeit laufen Gespräche mit Investoren und Banken. Vom wem die Finanzspritze kommen soll und ob KTM seine Eigentümer wechseln könnte? Um diese Frage ranken sich derzeit mehr Gerüchte als Antworten. Infrage kommt jedenfalls einer von Indiens größter Autobauer Bajaj, der jetzt schon an KTM beteiligt ist. Am Donnerstag wurde dann noch medial das Gerücht gestreut, dass Red-Bull-Erbe Mark Mateschitz als Retter in der Not den strauchelnden Konzern übernehmen könnte.

Vorstand Pierer (wird nicht müde) selbst machte immer wieder die gestiegenen Produktionskosten für den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich. Und tatsächlich ist Energie noch immer deutlich teurer als vor der Krise und die Lohn-Stück-Kosten sind in Österreich wegen der Inflation viel stärker gestiegen als in den meisten anderen EU-Ländern. Aber das dürfte bei KTM nicht der einzige Grund für den stockenden Verkauf sein.

Zahlreiche Kunden haben heuer technische Mängel an den Maschinen beanstandet. „KTM genießt unter Motorradfahrern leider gerade nicht den besten Ruf“, sagt ein Insider, der namentlich nicht genannt werden will. Im Unternehmen rechtfertigte man das zuletzt mit den Nachwehen der Pandemie, massiven Lieferverzögerungen, Produktionsunterbrechungen und dadurch entstandene Mängel. Neben den gestiegenen Kosten dürfte das jedenfalls mit ein Grund sein, warum der Verkauf stockt.

Weihnachten beim AMS

Zu spüren bekommen die finanziellen Schwierigkeiten derzeit vor allem die Mitarbeiter. 700 Stellen wurden heuer schon an den Standorten in Mattighofen, Munderfing aber auch im Ausland gestrichen. 300 weitere Stellen sollen bis Anfang 2025 gekürzt werden. Der weihnachtliche Betriebsurlaub wird um eine Woche verlängert, bis Ende Februar gibt es einen Produktionsstopp. In dieser Zeit gilt eine Wochenarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche. Denn wie gesagt: Die Lager sind voll.

Und auch für die Aktionäre gibt es weniger als versprochen, aber nicht nichts. Der Mutterkonzern Pierer Mobility hat die Dividende Anfang des Jahres von zwei Euro je Aktie auf 0,50 Euro gekürzt. Ein Viertel der Aktien befinden sich in Streubesitz. 74,9 Prozent hält die Pierer Bajaj AG. Diese Gesellschaft gehört zu 50,1 Prozent der Pierer Industrie AG und damit über die Pierer Konzerngesellschaft mbH Unternehmensgründer Stefan Pierer. 49,9 Prozent der Anteile gehören Bajaj aus Indien. 

Ob man in einer finanziell so angespannten Situation in der wohl bedeutendsten Konzerntochter Dividenden zahlen sollte? "Dabei handelt es sich um eine Auszahlung für das Rekordjahr 2023. Die Reduktion von EUR 2 auf EUR 0,50 erfolgte mit Blick auf den im ersten Quartal 2024 erwarteten Abschwung", heißt es aus dem Unternehmen.

Marina Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".