Morgenpost

Kulturkampf im Klassenzimmer

2018 schrieb die Volksschullehrerin Susanne Wiesinger das gleichnamige Buch über den Einfluss des Haram-Islam auf Wiener Schulen. Heute klingen ihre Kritiker von damals mitunter alarmierter als sie. Was sagt uns das?

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Heute möchte ich eine Beobachtung mit Ihnen teilen, die mich als Journalist mit Schwerpunkt Zuwanderung und Integration schon länger beschäftigt. 

2018 veröffentlichte die Wiener Volksschullehrerin Susanne Wiesinger das Buch „Kulturkampf im Klassenzimmer“. Sie schilderte eine wachsende Parallelgesellschaft aus Schülern, die den Islam über alles stellen; ihre Mitschülerinnen nötigen, sich zu verhüllen; und dabei kaum genug Deutsch verstehen, um dem Unterricht zu folgen. Und sie schrieb über ihre Lehrer-Kolleg:innen, die sich dieser Entwicklung zunehmend machtlos gegenübersehen.

Der frühere Schuldirektor und Lehrer, Niki Glattauer, kritisierte Wiesinger damals scharf. Er lasse sich als Schuldirektor von einer „Handvoll Pubertierender“ keinen Kampf aufzwingen. Mit Humor und „dicken Eiern“ seien sie in den Griff zu bekommen. 

Heute ist er Kolumnist für die Gratis-Zeitung „Heute“ und gibt einem Massenpublikum regelmäßig Einblicke in heimische Schulwelten. Und das klingt in punkto Haram-Islam mitunter schärfer als das, was Wiesinger einst beschrieb. Drei Auszüge aus Kolumnen im letzten halben Jahr: 

Schiele ist haram

„Mail eines Lehrers aus OÖ. Er wollte mit seiner Klasse das Schiele-Museum in Cesky Krumlov besuchen und musste das Projekt kübeln, nachdem muslimische Familien (Mehrheit in der Klasse) gedroht hatten, ihre Kinder nicht mitfahren zu lassen. Begründung: Schiele ist Pornographie (= haram = verboten).“

„Mail eines Lehrers aus dem 15. Wiener Bezirk: Einer meiner muslimischen Schüler aus Albanien provoziert seine Mitschüler mit: ,Du stinkst. Bist du Jude?‘ Wir sind machtlos.“

„In den Linzer Schulen ist der Islam daham. Viele Lehrerinnen wehren sich dagegen, das ,heiße Eisen‘ Naher Osten anfassen zu müssen.“ 

Was heißt es, wenn sich die Realität stärker in Richtung Wiesinger als Glattauer verschoben hat? 

Fünf Erkenntnisse

  1. Die Probleme, die Wiesinger (Spitzname „Kassandra“) – übertrieben oder nicht – in ihrem Buch darstellte, sind größer und nicht kleiner geworden. Spätestens seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und der Welle an muslimischen Antisemitismus, die seither durch heimische Schulen rollt, ist das nicht mehr zu leugnen.
     
  2. Bei heiklen Themen wie Islam oder Migration ist es zunächst angenehmer, die Überbringer unangenehmer Botschaften schärfer zu kritisieren als die Botschaft selbst. Dadurch gerät das eigene Weltbild weniger ins Wanken. Und man macht nicht „das Geschäft der Rechten“ – eine Urangst in humanistischen Kreisen, je stärker rechte Parteien werden.
     
  3. Doch wenn reale Probleme hinter einer alarmistischen Botschaft stecken, kann es wirkungsvoller sein, sich auf die realen Probleme zu stürzen als auf die Botschafter. So entzieht man auch Rechtspopulisten nachhaltiger den Humus, auf dem ihre Übertreibungen wachsen, als durchs Kleinreden.
     
  4. Im Bereich Zuwanderung und Migration kann der Eindruck der Übertreibung auch dadurch entstehen, dass unsere Lebenswelten immer stärker getrennt sind. Wer wie Wiesinger jeden Tag in der Favoritner Brennpunktschule mit fast 100 Prozent Muslimen aus der niedrigsten Bildungsschicht mit der höchsten Religionsaffinität steht, hat natürlich ein anderes Problembewusstsein als jemand, der sich vorwiegend in autochthonen Welten bewegt und die eigenen Kinder nur in die besten Schulen schickt (nicht selten wegen der realen Probleme in allen anderen Schulen, über die Wiesinger und Glattauer schreiben).
     
  5. Akadamische Expert:innen im Bereich Bildung oder Migration werden eher gehört als Menschen aus der Praxis, weil sie international forschen, abstrahieren und weniger von direkten Erlebnissen „auf der Straße“ geprägt sind. Wenn sich Gesellschaft durch starken Zuzug aber derart rasch wandelt, sind Praktiker:innen wie die Favoritner Lehrerin näher an den echten Problemzonen und haben eine andere Art von Weitblick als Akademiker:innen im Safe Space der Wissenschaft (siehe auch Punkt 4). Wobei bei Wiesinger dazu gesagt werden muss, dass sie Ombudsfrau im Bildungsministerium wurde, ihre dort gewonnen Einblicke aber gleich fürs nächste Insider-Buch nutzte.

Der Islam wird siegen

Wirtschafts-Redakteurin Clara Peterlik spricht Arabisch und ist oft in Wien Favoriten. Auf der Antonskirche unweit des Reumannplatzes entdeckte sie vor Monaten islamische bis islamistische Sprüche („Der Islam wird siegen“). Sie recherchierte an allen möglichen Stellen, warum sie heute noch immer dort stehen. Und dann schrieb sie darüber. ÖVP und FPÖ verfassten sofort empörte Aussendungen. Die Gratis-Zeitung „Heute“ zitierte die Story. 

Machte Peterlik das „Geschäft der Rechten?“ Nein. Sie beschrieb einen Missstand, der auf realen Problemen (wachsender Islamismus) fußt. Sie sprach dabei auch mit jungen Musliminnen, die diese Kirchen-Schmieragen gar nicht gut finden und zeigte so die Vielfalt des örtlichen Islam auf. Und sie leistete womöglich einen Beitrag, dass die Sprüche doch noch irgendwann verschwinden. Was das Zusammenleben im Bezirk real verbessern würde.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.