Kurz gegen Schmid: So lief das harte Match vor Gericht
René Benko, Christoph Dichand, Eva Dichand, Helmuth Fellner, Wolfgang Fellner, Ronny Pecik, Hans-Jörg Schelling, August Wöginger, Siegfried Wolf: Was sich wie eine alphabetische Aufzählung des politischen und unternehmerischen „Who’s who“ der Republik liest, hat eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit. Alle Genannten sind Beschuldigte bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – und zwar in Ermittlungsverfahren, in denen ein gewisser Thomas Schmid belastende Aussagen getätigt hat. (Sie alle bestreiten sämtliche Vorwürfe.)
Am Montag hatte Schmid nun seinen mit Hochspannung erwarteten ersten öffentlichen Auftritt seit Jahren: als Belastungszeuge gegen den früheren Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei dessen Prozess wegen des Verdachts der Falschaussage. Dabei war von vorneweg klar: Hier geht es um mehr als nur um die Frage, ob Kurz vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt hat oder nicht. (Er bestreitet sämtliche Vorwürfe.) Hier geht es für viele um viel. Und alle wollen am Ende eines: die Glaubwürdigkeit Schmids und seiner Aussagen erschüttert sehen.
Entlastender Chat?
Man kann getrost sagen: Kurz-Anwalt Otto Dietrich tat diesbezüglich sein Möglichstes. Zunächst befragte der Anwalt Schmid eingehend zum technischen Zustandekommen seines mehreren hundert Seiten umfassenden Einvernahmeprotokolls bei der WKStA. Zur Erinnerung: Der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, ehemalige Chef der Staatsholding ÖBAG und ungekrönte Handychat-König der ÖVP legte im Vorjahr ein Geständnis in Bezug auf zahlreiche Vorwürfe ab, belastete dabei auch andere Personen und strebt nun Kronzeugenstatus an.
Die Kurz-Verteidigung versuchte am Montag, einen ersten schweren Treffer zu landen, indem sie ein Foto eines Handy-Bildschirms vorlegte, auf dem eine angebliche Chat-Nachricht von Schmid an Kurz zu sehen ist. Diese soll demnach von Anfang Oktober 2021 stammen. Damals führte die WKStA eine Reihe von Hausdurchsuchungen durch, Kurz gab der ORF-ZiB2 ein Interview, in dem er seine Unschuld betonte. Und Schmid soll dem damaligen Kanzler daraufhin geschrieben haben: „Das war ein sehr guter Auftritt. Mit Darlegung wie es wirklich war.“
Nicht ausgesprochene Schlussfolgerung des Kurz-Lagers: Als es für Schmid noch nicht um den Kronzeugenstatus ging, hielt dieser den ÖVP-Chef noch für unschuldig. Schmid gab an, sich an die Nachricht nicht erinnern zu können. Bekanntermaßen existiert allerdings auch ein von Kurz aufgezeichnetes Telefonat mit Schmid, durch das sich der Ex-Kanzler ebenfalls entlastet sieht. Schmid sagte dazu am Montag, er habe Sorge gehabt, dass sein Telefon abgehört würde.
Einige Fragen gingen Richter zu weit
Danach legte Dietrich einen angeblichen Chat zwischen Schmid und einem Journalisten vor, dessen Quelle er allerdings nicht genau angeben konnte oder wollte. Selbst eine kurze, flüsternde Beratung des Verteidigerteams mit Sebastian Kurz höchstselbst, änderte daran nichts. Richter Michael Radasztics ließ daraufhin den Chat als Beweismittel nicht zu.
Es war dies nicht das einzige Mal, dass der Richter am Monat einschreiten musste. Kurz-Anwalt Dietrich wollte angebliche eidesstattliche Erklärungen zweier Personen zum Akt nehmen lassen, welche an der österreichischen Botschaft in Tiflis beglaubigt worden sein sollen. Den Ausführungen der Verteidigung zufolge sollen die beiden Personen mit Schmid im August 2023 eine Art Bewerbungsgespräch geführt haben, wobei Schmid unter anderem gesagt haben soll, er fühle sich unter Druck gesetzt. Außerdem habe er sich verärgert über Kurz gezeigt. Richter Radasztics ließ keine Fragen diesbezüglich zu – die angeblichen eidesstattlichen Erklärungen seien von den anklagegegenständlichen Vorwürfen „zu weit weg“.
Ausnahme für Kurz
In anderer Hinsicht konnte Anwalt Dietrich hingegen einen strategischen Vorteil erringen. Er erwirkte bei Radasztics eine für Ex-Kanzler Kurz wichtige Ausnahme. Üblicherweise werden Zeugen zunächst vom Richter, dann von der Staatsanwaltschaft und zum Schluss von den Verteidigern befragt. Dietrich überzeuge Radasztics davon, die Reihenfolge so zu verändern, dass nach dem Richter gleich die Anwälte ihre Fragen an Schmid stellen durften. Sie konnten also versuchen, ihn vorneweg in die Mangel zu nehmen. Der absehbare Nebeneffekt: Entweder würde sich die WKStA mit einem ermüdeten Zeugen in den Abendstunden abplagen müssen – oder am Montag gar nicht mehr zum Zug kommen. Letzteres sollte dann tatsächlich eintreten. Schmid wird nun am Freitag weiter befragt. Man kann davon ausgehen, dass die allgemeine Aufmerksamkeit beim zweiten Termin geringer sein wird als beim ersten.
Auch in anderer Hinsicht kommt das Gericht dem Ex-Kanzler und seinem mitangeklagten früheren Kabinettschef Bernhard Bonelli, der ebenfalls alle Vorwürfe bestreitet, entgegen. Obwohl nur gegen zwei Angeklagte verhandelt wird, müssen diese nicht auf der echten Anklagebank des Großen Schwurgerichtssaals am Wiener Straflandesgericht platznehmen. Sie dürfen an Tischreihen sitzen, die üblicherweise bei Großverfahren zum Einsatz kommen und es den Angeklagten ermöglichen, dem Auditorium nicht ihr Gesicht zeigen zu müssen.
Dem Schmid im Nacken
Nun saß Kurz mit zwei Metern Entfernung Thomas Schmid im Nacken. Die Befragung am Montag dauerte rund sieben Stunden. Am Beginn und auch nach Pausen vermieden Schmid und Kurz Blickkontakt. Lange Zeit folgte der Ex-Kanzler – soweit von hinten erkennbar – Schmids Ausführung mit stoischer Ruhe. Gegen Ende hin ließ er sich allerdings dazu hinreißen, Aussagen, die er offenbar für unzutreffend hielt, mit hitzigen Handgesten zu kommentieren. Einmal musste der Richter den früheren Regierungschef sogar zur Ruhe ermahnen.
Der Belastungszeuge Schmid blieb in seiner Einvernahme insgesamt bei seinen bisherigen Angaben. Im Prozess geht es unter anderem um die Frage, wie stark Sebastian Kurz als Kanzler in die Besetzung des ÖBAG-Vorstands und des Aufsichtsrats der Staatsholding involviert war. Richter Radasztics erörterte von der WKStA sichergestellte Handychats mit Schmid. Dieser antwortete in sachlichem Ton und hielt an seinen bisherigen Angaben fest, dass Kurz – anders als von diesem dargestellt – bei derartigen Postenbesetzungen faktisch eine Art Veto-Recht gehabt habe. Kurz bestreitet das.
Nicht nur das Kleingedruckte
Im Zuge der Befragung versuchte die Verteidigung auch noch, eine weitere scheinbare Trumpfkarte auszuspielen: Anwalt Dietrich befragte Schmid zu einer Passage aus dessen umfangreichem Einvernahmeprotokoll – um ihm danach vorzuhalten, dass der Text praktisch eins zu eins aus einer früheren Ermittlungsanordnung der WKStA stammte. Dietrich hielt fest, die WKStA diktiere hier offenbar, was Schmid sage. Der Vertreter der WKStA forderte daraufhin von Richter Radasztics eine sitzungspolizeiliche Ermahnung des Anwalts. Radasztics kam dem allerdings nicht nach.
profil nahm noch im Gerichtssaal die bewusste Stelle aus dem Einvernahmeprotokoll unter die Lupe. Es könnte sich dabei auch lediglich um einen falsch gekennzeichneten Vorhalt handeln, der Schmid bei der Einvernahme gemacht wurde, nicht um eine Aussage des Ex-ÖBAG-Chefs. Oberhalb der bewussten Passage findet sich eine fett gehaltene Überschrift, mit der dezidiert ein „Vorhalt“ eingeleitet wurde (allerdings möglicherweise mit einem falschen Aktenverweis). Außerdem folgt erst nach dem Textblock eine ebenfalls fett gedruckte Frage-Passage, die dann von Schmid beantwortet wurde. Eine allfällige Würdigung ist dem Gericht vorbehalten. In einer von der Kurz-PR noch während der Verhandlung an Journalisten übermittelten Textgegenüberstellung fehlt jedenfalls das Fettgedruckte, das dem Absatz dazwischen möglicherweise den Kontext gibt.
Mittlerweile scheint festzustehen, dass im heurigen Jahr kein Urteil im Kurz-Prozess mehr zu erwarten ist. Vor Weihnachten wird noch zweimal verhandelt Das Gericht hat aber bereits einen weiteren Verhandlungstermin Anfang Jänner ins Auge gefasst. profil wird auch dann wieder dabei sein.