Morgenpost

Kurz-Prozess: Da waren’s nur noch zwei

Warum Ex-Casinos-Chefin Bettina Glatz-Kremsner in erster Instanz mit einer Geldbuße davonkommt – und die ungeteilte Aufmerksamkeit des Gerichts ab nun auf dem Ex-Kanzler und seinem früheren Kabinettschef liegt.

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Es war ein bewegter erster Prozesstag in der Causa Kurz am gestrigen Mittwoch – der mit einer großen Überraschung zu Ende ging. Für eine der Angeklagten, die frühere Casinos-Austria-Generaldirektorin und Ex-Vize-ÖVP-Parteiobfrau Bettina Glatz-Kremsner, war die Angelegenheit nach rund sieben Stunden auch schon wieder vorbei – zumindest in erster Instanz.

Das Gericht bot Glatz-Kremsner an, ihren Verfahrensteil in der Causa um diverse mutmaßliche Falschaussagen im Wege der Diversion zu erledigen. Zahlt die Ex-Managerin, die mittlerweile in Pension ist, 104.060 Euro Geldbuße – was sie ihrem Verteidiger Lukas Kollmann zufolge auch tun wird –, ist die unangenehme Angelegenheit für sie bereinigt. Mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die Glatz-Kremsner gemeinsam mit Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und seinem früheren Kabinettschef vor Gericht gestellt hatte, sprach sich gegen die Diversion aus. Aus sogenannten generalpräventiven Gründen: Dabei verwies der Vertreter der Anklagebehörde auf eine kürzlich erfolgte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien. Demnach sollte – zusammengefasst – darauf geachtet werden, dass Falschaussagen unter Wahrheitspflicht in der Öffentlichkeit nicht als Kavaliersdelikt wahrgenommen werden. Angesichts dessen gilt es nicht als unwahrscheinlich, dass die WKStA gegen die Diversion eine Beschwerde einbringen könnte. Aber so weit ist es noch lange nicht.

Das Türkise vom Himmel erzählt?

Im laufenden Prozess ruht nun endgültig die gesamte Aufmerksamkeit auf Sebastian Kurz und seinem mitangeklagten Ex-Mitarbeiter. Haben die beiden als Auskunftspersonen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss quasi das Türkise vom Himmel erzählt, um nicht zugeben zu müssen, dass der angebliche „neue Stil“ der Volkspartei im Hintergrund aus Posten-Deals und geheimen Absprachen bestand? Das ist im Kern der Vorwurf der WKStA, den sie am Mittwoch vor Gericht nochmals bekräftigte. „Angelogen wurden nicht die Abgeordneten, sondern die Allgemeinheit“, hielt ein Vertreter der WKStA fest. Kurz habe unter anderem seine Involvierung in Aufsichtsratsbestellungen bei der Staatsholding ÖBAG geleugnet: „Das sind keine harmlosen Halbwahrheiten. Das sind Unwahrheiten.“ Alles deute darauf hin, dass Kurz – entgegen seiner Aussagen – „die Entscheidungsgewalt hatte und auch ausübte“.

Die Angeklagten haben die Vorwürfe immer bestritten. Insgesamt blieben der Ex-Kanzler und sein Verteidigerteam der WKStA zum Prozessstart nichts schuldig. Schon vor Verhandlungsbeginn gab Kurz vor den zahlreich erschienenen Medienvertretern ein Statement ab, wobei er „ein Zusammenspiel aus Politik und WKStA“ in den Raum stellte. Die Oppositionspolitiker im U-Ausschuss würden Anzeige erstatten, die WKStA wiederum würde seine Aussagen immer zu seinen Ungunsten interpretieren.

Kurz wollte Richter abberufen

Die Angriff-ist-die-beste-Verteidigung-Strategie setzte sich dann nahtlos im Gerichtssaal fort. Zu Beginn der Verhandlung forderte Otto Dietrich, der Anwalt des Ex-Kanzlers, die Abberufung des Einzelrichters Michael Radasztics wegen angeblicher Befangenheit oder zumindest des Anscheins einer Befangenheit. Radasztics war früher Staatsanwalt. Durch seine Ermittlungstätigkeit in der Causa Eurofighter sei er – so das Vorbringen – mit dem früheren Grünen-Abgeordneten Peter Pilz befreundet, der ein besonders prononcierter politischer Gegner von Sebastian Kurz sei. Dietrich beantragte eine ganze Reihe von Zeugenaussagen, um dies zu klären – auch jene des Richters selbst. Der wies den Antrag auf Abberufung postwendend ab. Er sei nicht mit Pilz befreundet und habe mit diesem nur beruflich in der Causa Eurofighter zu tun gehabt, betonte Radasztics.

Was kurzfristig nach einer Niederlage aussieht, kann dem Team Kurz im Fall einer Verurteilung auf zweierlei Art nützen: Juristisch gesehen sammelt man so bereits mögliche Punkte für spätere Rechtsmittel, falls man denn welche benötigen sollte. Und im Sinne der Litigation-PR bliebe letztlich doch im Raum stehen, dass der Richter politisch voreingenommen gewesen sein könnte.

Ein Patzer der WKStA

ÖVP-Anwalt Werner Suppan, der den mitangeklagten Ex-Kabinettschef vertritt, legte dann noch ein gehöriges Schäuferl in Richtung WKStA nach. Mit großer Geste deckte er einen Fehler im Strafantrag auf: Die WKStA unterstellt den früheren Finanzministern Hartwig Löger und Gernot Blümel kurz gesagt, abgestimmt zugunsten von Sebastian Kurz ausgesagt zu haben. (Da die Aussagen im Rahmen von Beschuldigteneinvernahmen – und somit nicht unter Wahrheitspflicht – erfolgten, ist daran allerdings kein strafrechtlicher Vorwurf geknüpft.) Um ihre Argumentation zu verdeutlichen, verwies die WKStA darauf, dass die Aussagen der beiden in einem wichtigen Punkt sogar wortgleich gewesen seien. Dabei bildeten sie im Strafantrag tatsächlich zwei gleich lautende Absätze aus den Einvernahmeprotokollen ab.

Ein für die Anklagebehörde schmerzhafter Fehler: Beim Absatz aus der Löger-Einvernahme handelt es sich einfach um eine Wiedergabe der Blümel-Aussage, mit der Löger konfrontiert wurde. Die WKStA rechtfertigte sich damit, dass zwar ein „Screenshot-Fehler“ passiert sei, ungeachtet dessen aber sowohl Blümel als auch Löger an der entsprechenden Stelle das Wort „absurd“ benutzt hätten. Weshalb die Grundaussage bestehen bliebe. Zumindest PR-technisch ist das trotzdem ein schwerer Lapsus. In einem anderen Verfahren bezeichnete die WKStA den früheren Politiker der Wiener Grünen, Christoph Chorherr, fälschlicherweise in der Anklageschrift als Stadtrat, obwohl Chorherr diese Position niemals innegehabt hatte. Ein offensichtlicher Fehler. Selbst wenn dieser beim späteren erstinstanzlichen Chorherr-Freispruch rechtlich nicht spielentscheidend gewesen sein dürfte, konnte sich die Anklagebehörde in der öffentlichen Darstellung nicht mehr davon lösen.

Glatz-Kremsner gestand Fehler ein

Während Kurz also weiter auf Angriff setzte, agierte Glatz-Kremsner zum Prozessstart deutlich anders. Kurz und Bonelli saßen nebeneinander, die frühere Casinos-Chefin wiederum ließ gleich zwei Sessel zwischen sich und dem Ex-Kanzler frei. Ihr Anwalt schloss sich dem Absetzungsantrag in Bezug auf den Richter nicht an. Und schon im Plädoyer gestand Anwalt Kollmann zu, dass seine Mandantin gewisse Fehler gemacht habe. Diese Linie behielt Glatz-Kremsner auch bei, als sie selbst vom Richter befragt wurde. Letztlich erkannte dieser darin eine ausreichende Verantwortungsübernahme für eine Diversion. Geht diese durch, bleibt Glatz-Kremsner unbescholten.

Kurioserweise hat die Ex-Managerin bereits im Ermittlungsverfahren eine Diversion angestrebt. Diese versagte ihr die WKStA damals wohl in erster Linie mit Blick auf die erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts. Nun wählte das Gericht doch diesen Schritt – falls die Diversion rechtskräftig wird, wäre das auch eine Bestätigung der ursprünglichen Verteidigungslinie, eben nicht auf Konfrontation zu setzen. Für andere Beschuldigte könnte das Signalwirkung haben. Und 100.000 Euro kann sich eine frühere Casinos-Generaldirektorin leisten, ohne auf einen Lotto-Gewinn hoffen zu müssen.

Bisher war übrigens Glatz-Kremsner formell „Erstangeklagte“ im Kurz-Prozess (das führte unter anderem dazu, dass die Verhandlung als „Strafprozess gegen Bettina Glatz-Kremsner und andere“ via Lautsprecher aufgerufen wurde). Dieser Titel wandert nun wohl zu Sebastian Kurz.

Wir bleiben für Sie dran!

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).