Lichtermeer gegen Antisemitismus: Dem Schrecken trotzen
„Der Himmel weint“, sagt Eli Albag auf der Bühne am Heldenplatz, und meint damit nicht nur das Wetter. Gut 20.000 Menschen hören ihm zu, als er weiter spricht: „Die Zukunft liegt in unserer Hand. Vergesst die Geschichte nicht.“ In den Händen hält er ein Foto seiner vermissten Tochter: Liri ist 18 und leistet gerade ihren verpflichtenden Armeedienst in Israel ab. Am 7. Oktober wurde sie von den Hamas aus einer Militärbasis verschleppt.
Albag ist einer von drei Angehörigen verschleppter Geiseln, die gestern Abend beim Lichtermeer in der Wiener Innenstadt deren Freilassung forderten. Bilder von Liri Albag und den mehr als 200 anderen Vermissten wurden an die Außenwand der Hofburg projiziert; die Besucherinnen und Besucher der Kundgebung bildeten mit Kerzen und Handy-Taschenlampen ein „Lichtermeer“, als Zeichen gegen Antisemitismus, Gewalt, Terror und Hass.
„Sie alle stehen für die Menschlichkeit, für Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie“, so adressierte Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, während seiner Rede die Menge. „Ihre Anwesenheit ist ein wichtiges Zeichen für alle Juden und Jüdinnen in unserem Land,“ so Deutsch, nachdem er von dem Brandanschlag auf den jüdischen Teil des Zentralfriedhofes berichtet hatte.
Die Zahl der antisemitischen Übergriffe in Österreich ist zuletzt stark angestiegen. „Wir können zwischen 7. und 29. Oktober 165 Fälle als eindeutig antisemitisch bestätigen“, sagt Benjamin Nägele, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde im Gespräch mit meiner Kollegin Karolina Heinemann. Mindestens, denn: Viele gemeldete Fälle wurden noch gar nicht bearbeitet, und jeden Tag werden neue bekannt, sodass die Meldestelle kaum mit der Bearbeitung nachkommt.
„Dem Schrecken trotzen“, das ist die Devise, die die Israelitische Kultusgemeinde für alle in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden ausgegeben hat. Denn: Wenn das Ziel der Hamas ist, jüdische Menschen einzuschüchtern, dann gilt es, gerade dem zu standzuhalten.
Ein schönes Wochenende wünscht, trotz allem,
Lena Leibetseder