Millionenerbin Marlene Engelhorn
Morgenpost

Marlene Engelhorn: Drei Gedanken zum „Guten Rat“

Die Entscheidung ist gefallen. Aber werden die 25 Millionen Euro tatsächlich gut verteilt? Demokratisierte Philanthropie statt struktureller Veränderung.

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Im Vorfeld wurde viel Spannung aufgebaut. Über Monate hinweg wurden Ratsmitglieder ausgewählt, das Prozedere angekündigt und Zwischenstände berichtet. Dazwischen gab es ein paar Interviews. Am Dienstag präsentierte dann der "Gute Rat für Rückverteilung" bei einer Pressekonferenz in Wien seine Ergebnisse. Der Medienandrang war groß. Vier Ratsmitglieder präsentierten auf der Bühne, wohin 25 Millionen Euro der Pharma-Erbin Marlene Engelhorn fließen sollen. Eine drei Seiten lange Liste wurde verteilt. Viele, verhältnismäßig kleine Spenden gehen an zahlreiche Organisationen und NGOs, die mit Geld jetzt machen können, was sie wollen. Die Begünstigten freut es und es ist mehr als nobel, sein Vermögen zu spenden. Systemwandel sieht aber dann doch anders aus.

Am meisten Geld erhalten demnach der Naturschutzbund - der im übrigen immer wieder gegen Windkraft wetterte - mit rund 1,6 Millionen Euro. Das Neunerhaus für obdachlose Menschen bekommt 1,59 Millionen und an den gewerkschaftsnahen Think Tank Momentum Institut gehen 1,2 Millionen. Knapp über eine Million Euro geht an die globalisierungskritische NGO Attac, gefolgt von 936.000 Euro für Schule im Aufbruch, 924.000 für Teach for Austria und 860.000 an den "Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern". Die vier Ratsmitglieder sprechen von Demokratie in ihrer „besten Gestalt“ und betonen: „Wenn es um die Sache geht und nicht um politische Macht, können Menschen eine gute Lösung finden und einer Meinung sein.“ Drei Gedanken zu den Ergebnissen des "Guten Rats":

Die strukturelle Veränderung fehlt

25 Millionen sind sehr viel Geld. 25 Millionen können aber weder die Welt, noch Österreich grundlegend verändern. Das war allen Beteiligten bewusst, dennoch ist der Blick auf die lange Spenderliste ernüchternd. Für die Tiroler Straßenzeitung sind 52.550 Euro sicher sehr viel Geld. Die Spende wird aber auch schnell verpuffen.

Nicht am Podium saß Marlene Engelhorn. „Ist sie mit dieser Gießkannenverteilung zufrieden“, fragt einer der anwesenden Journalisten. Sie gab die Macht, die sie durch das Geld hat, den 50 Bürgerinnen und Bürgern, heißt es vom Podium. Per Aussendung sagt sie: "Ein Großteil meines geerbten Vermögens, das mich durch meine Geburt in eine Machtposition gehoben hat, die jedem demokratischen Grundsatz widerspricht, wurde nun im Einklang mit demokratischen Werten rückverteilt."

Dass es nicht einige wenige Empfänger gibt, liegt auch an dem Verteilsystem des Rats. Die 50 Menschen waren in thematische Arbeitsgruppen unterteilt, etwa zu Klima, Wohnen oder Bildung. Jede Arbeitsgruppe durfte maximal vier Millionen Euro verteilen. Der Restbetrag wurde dann nochmal aufgeteilt. Letztlich kostete der Rat selbst aber mehr (um die drei Millionen Euro), als der Höchstbetrag (1,6 Millionen), der verteilt wurde.

Schiefe Optik für das Momentum Institut

Auf Platz Nummer drei liegt das gewerkschaftsnahe Momentum Institut. Seit fünf Jahren forscht und arbeitet der Thinktank zu Umverteilung. Innerhalb kurzer Zeit entwickelte sich das Institut als Gegenstimme zur wirtschaftsliberalen Agenda Austria. Die Projektleiterin des "Guten Rats", Alexandra Wang, war für die Großspenderinnen beim Momentum Institut zuständig, bevor sie bei Engelhorn direkt anheuerte. So lernte sie auch Marlene Engelhorn kennen, die in den vergangenen Jahren spendete.

Eines der Anliegen der 50 Menschen des „Guten Rats“ ist eine stärkere Vermögensverteilung in Österreich. Dafür setzt sich das Momentum Institut ja auch ein. Es ist daher nicht überraschend, dass sie auch zur Spenderliste stehen. "Es besteht keinerlei Geschäftsbeziehung zu Frau Wang. Die Rückvergabe des Erbes obliegt allein dem Bürgerinnenrat“, heißt es aus dem Momentum Institut-Pressebüro auf profil-Anfrage. Eine schiefe Optik bleibt dennoch.

Demokratisierte Philanthropie

Die Liste der Spendenempfänger ist sehr bunt. Es sind große und kleine Organisationen. Feuerwehr, Bergrettung, Kleinbauern, Frauenhäuser. Es gibt zwar Schwerpunkte bei Klima, Verteilung, Bildung und Frauen. Insgesamt gingen aber 250.000 Euro an Projekte der Caritas, 812.000 Euro an Projekte der Diakonie. Eine Millione Euro also für christliche, wohltätige Träger.

Und dann sind da auch noch ein paar Überraschungen: Das Ehepaar Bohrn Mena bekommt 100.000 Euro für ihre Stiftung Común, die sich laut Homepage als "Kapitalbasis für gesellschaftlichen Fortschritt" betrachtet. In den vergangenen Wochen erregte das Ehepaar viel Aufmerksamkeit in der Affäre um Lena Schilling.

Aber ist diese Art der Umverteilung tatsächlich eine Vorlage für andere Superreiche, wie es im Vorfeld hieß? Marlene Engelhorn wählte diesen Weg, weil sie nicht besteuert wird, da es in Österreich keine Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt. Das Ergebnis ist aber nicht strukturelle Veränderung, sondern demokratisierte Philanthropie. 

 

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.