Morgenpost

Masern-Ausbruch in Österreich: Hofer, Kickl und die Viren

Was es mit Andreas Hofer zu tun hat, dass sich 200 Jahre nach seiner Hinrichtung die Masern ausbreiten.

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Über Verstorbene soll man bekanntlich nur Gutes sagen, vor allem über tote Nationalhelden. Wer etwa Andreas Hofer kritisiert, versündigt sich gegen das Land Tirol. Der Freiheitskämpfer wurde am 20. Februar 1810 in Mantua hingerichtet. Zum Gedenken werden an diesem Tag im Riesensaal der Innsbrucker Hofburg alljährlich verdiente Tirolerinnen und Tiroler mit dem „Ehrenzeichen des Landes“ (einem silbervergoldeten Adler) ausgezeichnet. Der Orden ist nach der goldenen Kette gestaltet, mit der Andreas Hofer nach dem Sieg am Bergisel über französische und bayerische Truppen im Jahre 1809 von Kaiser Franz I. beschenkt wurde. 

Heuer erhielten neben ehemaligen Landespolitikern auch „Stanglwirt“ Balthasar Hauser, der Innsbrucker Quantenphysiker Peter Zoller, der frühere Alpenvereinspräsident Andreas Ermacora, die Künstlerin Christine Ljubanovic und die Gründerin von „Vision für Afrika“ Maria Luise Prean-Bruni die hohe Auszeichnung. Landeshauptmann Anton Mattle, ÖVP, sagte in seiner Ansprache: „Jeder individuelle Beitrag dieser Menschen steht für konsequenten Einsatz für Tirol und ungeheure Innovation.“

Andreas Hofer wird man den „konsequenten Einsatz für Tirol“ nicht absprechen können. Für „ungeheure Innovation“ stand er allerdings nicht. Eher war er reaktionär. 1807 verfügte das Königreich Bayern als erstes Land der Welt die obligatorische Impfung gegen die Pocken. Diese Impfplicht galt auch für das zu dieser Zeit zu Bayern gehörende Land Tirol. Aus Sicht der Einheimischen handelte es sich um Teufelszeug. Der Kapuzinerpater und Hofer-Mitrevolutionär Joachim Haspinger warnte in Brandpredigten, mit der Pockenimpfung werde den frommen Tirolern „ketzerisches Denken“ eingepflanzt, wie hier nachzulesen ist.

Pocken, Massern, Coronavirus

Nicht nur in Tirol, sondern in ganz Österreich herrscht auch im Jahr 2024 noch Impfskepsis, was zur Folge hat, dass die Masern, die fast ausgerottet waren, sich landesweit wieder verbreiten. Wie der Leiter des profil-Wissenschaftsressorts, Alwin Schönberger, hier schreibt, hängt dies wohl auch mit den Kampagnen der FPÖ gegen die Corona-Impfung zusammen. Die schärfste blaue Kritik äußerte nicht etwa Herbert Kickl, sondern die Wiener Abgeordnete und Medizinerin Dagmar Belakowitsch, die zu den wenigen echten Vertrauten des  Parteiobmanns zählt. 

Andreas Hofer hätte politisch zwar am Land, aber nicht in der Landeshauptstadt gepunktet, meinte einmal Anton Pelinka, ehemaliger Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck: „Andreas Hofer hätte in Innsbruck keine freien Wahlen gewonnen, weil er zu katholisch und zu antirevolutionär war.“ Wer bei den Gemeinderatswahlen im April beste Chancen auf das Bürgermeisteramt und damit auf einen silbervergoldeten Adler hat, erfahren Sie hier.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.