Ein Black Hawk des Bundesheeres
Morgenpost

Mehr Distanz zur NATO? Macht die FPÖ ernst, braucht es eine neue Strategie

Will die FPÖ aus Programmen mit der NATO aussteigen, wird die Republik auch eine neue Sicherheitsstrategie erarbeiten müssen.

Drucken

Schriftgröße

Die FPÖ geht mit neuem Selbstbewusstsein und vor allem neuen Ideen in die Verhandlungen, sodass sich bei der Gegenseite einige Fragen aufdrängen. Zum Beispiel diese: Meinen die Freiheitlichen das wirklich ernst? Testen sie gerade ihre Grenzen aus? Oder haben sie es auf völlige Provokation abgesehen? Vor allem bei den Themen innere und äußere Sicherheit kokettiert die FPÖ hinter den Kulissen mit einigen Forderungen, ohne sie noch konkret in die Verhandlungen eingebracht zu haben. Etwa eine Verlängerung der Wehrpflicht nicht nur um zwei Monate (um verpflichtende Milizübungen zu ermöglichen), sondern um gleich vier Monate – eine Verlängerung des Zivildienstes selbstverständlich inklusive. Oder den Rückzug Österreichs aus beinahe allen internationalen Einsätzen. 

Wie profil in der aktuellen Cover-Story skizziert, fordern Herbert Kickl und seine Partei allerdings andere weitreichende Maßnahmen, die zur einer Isolierung Österreichs führen könnten. Offenbar will sich die Partei aus der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der Europäischen Union zurückziehen. Wie genau Österreich dabei vorgehen sollte, ist allerdings unklar. Die GSVP wurde im Vertrag von Lissabon eingerichtet, sie ist die Basis für militärische EU-Operationen im Ausland zur Friedenssicherung. Gut möglich, dass sich Herbert Kickl als Bundeskanzler im Europäischen Rat weigern würde, wichtige Beschlüsse in diesen Fragen mitzutragen. Damit würde er sie auch verhindern – es gilt das Einstimmigkeitsprinzip. Außerdem soll Österreich (wie andere EU-Staaten auch) Soldatinnen und Soldaten für die schnelle Eingreiftruppe der EU bereitstellen. 150 Männer und Frauen werden in diesem Rahmen allein heuer zu gemeinsamen Übungen entsandt. 

Außerdem will die FPÖ den Ausstieg aus der NATO-Partnerschaft für den Frieden (PfP). Das ist eine Initiative, bei der sich Nicht-NATO-Staaten an Programmen des transatlantischen Bündnisses einbringen können. Österreich ist seit 1995 dabei, der Kosovo-Einsatz des Bundesheeres findet in diesem Rahmen statt. Der Zugang zu sicherheitspolitischen Informationen und Kooperationen ginge verloren. Denn prinzipiell profitieren von solchen Programmen eher die kleinen Staaten als große NATO-Partner. Österreich kann bei gemeinsamen Übungen vom Know-how großer Nationen lernen.  

Was wird aus der Sicherheitsstrategie?

Sollte in einem etwaigen Regierungsprogramm tatsächlich eine Distanzierung von der NATO festgeschrieben werden, müsste Blau-Schwarz konsequenterweise auch gleich mit den Verhandlungen zu einer neuen Sicherheitsstrategie beginnen. Denn das Dokument, das die sicherheitspolitischen, ökonomischen und ökologischen Linien für die Republik vorgibt, trat erst im vergangenen Jahr nach mühsamen Verhandlungen zwischen ÖVP und Grüne in Kraft. Prinzipiell sollten solche Papiere eine längere Haltbarkeit haben, die Vorgänger-Strategie war immerhin ein Jahrzehnt lang gültig. Doch die FPÖ signalisierte schon im Nationalrat, dass sie mit der aktuellen Strategie alles andere als mitkann. 

Statt einer Abkehr vom transatlantischen Bündnis wird in dem Papier eine Annäherung festgeschrieben: „Es ist wesentlich, dass wir die Kooperationsmöglichkeiten mit der NATO in den Bereichen Konfliktprävention, Krisenmanagement und kooperative Sicherheit sowie im Interesse der Stärkung der Interoperabilität unserer militärischen Kapazitäten ausschöpfen", ist dort zu lesen. Zu Russland hält man übrigens fest: „Im Rahmen seiner hybriden Kriegsführung wird Russland Europa weiterhin auch militärisch bedrohen, mit unterschiedlichen Mitteln herausfordern und versuchen, die Europäische Union und ihr Umfeld zu destabilisieren.“ 

Rechtlich gibt es keine großen Hürden für eine neue Strategie: FPÖ und ÖVP müssten sich schlicht auf einen neuen Text einigen, und das könnte das größte Hindernis sein. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.