Morgenpost

Mehr Hilfe für Sternenmütter

Frauen sollen nach einer Fehlgeburt Hebammenleistungen nicht mehr selbst bezahlen. Die 500-Gramm-Grenze, die zwischen Fehl- und Totgeburt unterscheidet, wird hinterfragt.

Drucken

Schriftgröße

Vergangene Woche besprach die Bundesregierung ein heikles Thema, ohne es zunächst der Öffentlichkeit breit zu kommunizieren. Es ging um die schwierige Frage, wo man die gesetzliche Grenze zwischen einer Totgeburt und einer Fehlgeburt zieht. Die juristische Unterscheidung ist für Betroffene wichtig. Davon ist abhängig, ob sie Anspruch auf einen Mutterschutz haben oder ob die Krankenkasse die Hebammenleistungen bezahlt.

Derzeit sind 500 Gramm entscheidend: Kinder, die spätestens während der Geburt sterben und mehr wiegen, gelten gesetzlich als Totgeburten. Ist das Gewicht geringer, gilt es juristisch als Fehlgeburt. Betroffene lehnen diesen Begriff allerdings oft ab, weil er implizieren könnte, dass die Frau einen Fehler gemacht hat. Informell hat sich daher die Bezeichnung Sternenkinder durchgesetzt. profil berichtete im November über die Geschichte zweier Sternenmütter, die Forderungen an die Politik stellen.

Offenbar wurden sie nun gehört: Im Ministerratsbeschluss einigte sich die Regierung auf die „Einrichtung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Prüfung einer Erweiterung der Definition der Totgeburt sowie der Anspruch betroffener Frauen.“ Gemeinsam mit Expertinnen und Experten wollen Frauenministerin Susanna Raab (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (Grünen) prüfen, ob neben der Gramm-Grenze auch die Schwangerschaftswoche als Kriterium dienen kann. In der Vergangenheit war schon einmal von der 23. oder 24. Schwangerschaftswoche die Rede. Gänzlich unheikel ist es nicht: Die Weltgesundheitsorganisation WHO gibt die Gramm-Grenze als statistische Größe zur Vergleichbarkeit vor. Hinter vorgehaltener Hand sind Frauenpolitikerinnen auch vorsichtig, weil sie fürchten, dass eine Neuregelung Abtreibungsgegner auf den Plan rufen könnte. Nun wird die Sinnhaftigkeit der 500 Gramm aber in einer Gruppe als Fachleuten breit diskutiert.

Außerdem sind mehr Informationsmaterial für Betroffene und Sensibilisierungen für medizinisches Personal geplant. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe sollen dann zum Anlass genommen werden, um die Auswirkungen der 500-Gramm-Grenze noch weiter zu hinterfragen, sagt die grüne Familiensprecherin Barbara Neßler. Es dürfe kein Tabu-Thema mehr sein. Insgesamt werde „die Hilfe ausgebaut, die Informationen werden aktualisiert und verbessert“, sagt die ÖVP-Frauenchefin Elisabeth Pfurtscheller zu profil.

Wer bezahlt die Hebammenleistung? 

Eine wichtige Änderung könnte aber bald ganz ohne Arbeitsgruppe kommen: ÖVP und Grüne brachten vergangene Woche einen Initiativantrag ins Parlament ein. Derzeit gilt eine juristisch definierte Fehlgeburt nicht als Entbindung, Frauen haben also keinen Anspruch auf einen Mutterschutz – brauchen sie eine Hebamme, müssen sie die Leistungen selbst bezahlen. Die Krankenkasse trägt die Kosten nicht. Die Regierungsparteien wollen diesen finanzierten Hebammenbeistand nun auch für Mütter von Sternenkindern ab der vollendeten 18. Schwangerschaftswoche ermöglichen. Das Gesetz soll im Juni beschlossen werden ab 1. September in Kraft treten.

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.