Mikl-Leitners wackeliger Stuhl
In Niederösterreich regiert der Grant. Die ÖVP ist grantig auf sich selbst, weil sie bei der Wahl so viel verloren hat. Auf Kanzler Karl Nehammer, dem sie ein gutes Stück an der Schuld gibt. Auf die SPÖ, weil sich diese jetzt in den Koalitionsverhandlungen nicht billig locken ließ – woraufhin die ÖVP diese am Donnerstag mit großem Tusch platzen ließ. Die SPÖ ist grantig, weil das passiert ist – dafür darf der neue SPÖ-Chef Sven Hergovich aber seine Hand behalten. Die ÖVP wirft ihm vor, dass er in einem Interview gesagt hatte, dass er sich diese abhacken wolle, wenn seine Forderungen nicht erfüllt würden. Dazu gehörte eine kostenlose Ganztagsbetreuung im Kindergarten, die Ausweitung eines Pilotprojekts zur Jobgarantie für Langzeitsarbeitslose, ein Heizpreisstopp für Haushalte, und ein Anstellungsmodell für pflegende Angehörige sowie eine Strukturoffensive für vernachlässigte Regionen. ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fand das „weitgehend standortschädlich“.
Also vorerst nichts mit Große Koalition in Niederösterreich. Die ÖVP wird nun Verhandlungen mit der FPÖ aufnehmen. Das ist aus vielerlei Gründen bemerkenswert. Erstens wurden die Blauen im Wahlkampf von der ÖVP zum Feindbild stilisiert. Außerdem hatte FPÖ-Chef Udo Landbauer eine Zusammenarbeit mit der ÖVP zwar nicht prinzipiell ausgeschlossen, dafür aber sehr dezidiert, Mikl-Leitner zur Landeshauptfrau zu wählen. Was passiert hier also? Ist man doch situationselastischer als man zuerst zugeben wollte und pfeift auf all das, was man dem Wähler vorher präsentiert hat?
Das Spiel wird auch auf einer anderen Ebene weitergespielt. Die SPÖ hat noch eine Karte im Ass: Kärnten. Dort stehen auch Koalitionsverhandlungen an, die ÖVP ist der Juniorpartner. Landeshauptmann Peter Kaiser wird wohl auf Zuruf warten, was in Niederösterreich passiert, wie sich die ÖVP dort verhält.
Die andere These: Mikl-Leitner sitzt gar nicht so fest im Sattel, wie man meinen möchte. Denn in der sonst so geschlossenen niederösterreichischen Landespartei knirscht es schon seit einiger Zeit gehörig. Das Match lautet: Arbeitnehmerbund gegen Bauernbund. Letztere sind schon seit längerer Zeit mehr als grantig. Man habe zu wenig Einfluss, bei der Vergabe von hohen Posten sei man oft übergangen worden. Nehammer: ÖAAB. Sobotka: ÖAAB. Mikl-Leitner: ÖAAB. Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner: ÖAAB.
Die ÖVP hat aufgrund des schlechten Wahlergebnisses auch noch zwei Landesräte verloren. Die Bauernbündler hätten einbüßen sollen – probten aber den Aufstand und setzten sich durch. Die drei Landesräte sollten wie folgt besetzt werden: 1 ÖAAB, 1 Bauernbund, 1 Wirtschaftsbund. Das Match ging zugunsten des Bauernbundes aus – der Wirtschaftsbund verlor mit Jochen Danninger den einzigen Landesrat. Somit wären neben Mikl-Leitner, Stephan Pernkopf (Bauernbund), Ludwig Schleritzko (Bauernbund) und Christiane Teschl-Hofmeister (Chefin des NÖ ÖAAB) vorgesehen gewesen.
Die Bauernbündler sind bekannt stur und sägen mit neuem Oberwasser am Stuhl ihrer Landeshauptfrau – Pernkopf stellte sich in einer Klubsitzung zuletzt zwar symbolisch hinter Mikl-Leitner, aber im Ernst: Was heißt das in einem aufflammenden Machtkampf in der Politik schon. Bei Pernkopfs rundem Geburtstag vor wenigen Monaten war die Landeshauptfrau jedenfalls nicht zugegen – das sagt in der Niederösterreich-Politik-Logik mehr als jede Klubsitzung. Bei wichtigen, ehrenvollen Terminen hat man zu erscheinen. Punkt.
Ich würde Ihnen gerne sagen, wie das Match ausgeht. Aber wie sagt man in der Politik so schön: Im Elfmeterschießen ist noch vieles möglich. Die FPÖ hat jetzt jedenfalls den Ball.