Morgenpost

Nächster Knatsch in schwarz-grüner Regierung

Der Streit entzündet sich an der Frage, ob Österreich sich beim Internationalen Strafgerichtshof für Israels Premier Netanjahu einsetzen soll.

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Es war im vergangenen Mai als Karim Khan, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Anträge auf Haftbefehle gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu, seinen Verteidigungsminister Yoaw Galant sowie gegen die drei ranghöchsten Hamas-Führer einbrachte. Der Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazakrieg. Der Vorstoß spaltete die Europäische Union. Während mehrere Mitgliedsstaaten wie etwa Frankreich und Belgien signalisierten, dass sie die Arbeit des Gerichts unterstützten, äußerten andere scharfe Kritik. Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte, durch die gleichzeitige Beantragung der Haftbefehle gegen die Hamas-Führer und die beiden israelischen Politiker sei „der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden“. Ähnlich argumentierten der italienische Außenminister Antonio Tajani sowie die Ministerpräsidenten von Ungarn und Tschechien, Viktor Orban und Petr Fiala. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bezeichnete den Antrag gegen Netanjahu als „befremdlich und nicht nachvollziehbar“. 

Nun sorgt der Konflikt im Nahen Osten auch für innerkoalitionäre Spannungen in Österreich. Zwar liegt die Entscheidung bei den Richtern des IStGH. Sollten diese die Haftbefehle erlassen, wären die 124 Vertragsstaaten des Gerichtshofs verpflichtet, Netanjahu und Galant bei einem Besuch festzusetzen und an Den Haag auszuliefern. Doch die Staaten können im Vorfeld rechtliche Stellungnahmen einbringen. Israel hatte zudem um Unterstützung in dem Verfahren ersucht. 

Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung vorige Woche berichtet, hat Deutschland seine Stellungnahme bereits übermittelt. Darin werde die universelle Geltung des Völkerrrechts hervorgehoben und zugleich auf den so genannten Komplementaritätsgrundsatz verwiesen. Dieser besagt, dass der IStGH erst dann tätig wird, wenn die Justiz des betreffenden Landes nicht willens oder in der Lage ist, wegen der mutmaßlichen Verbrechen zu ermitteln.

Hochemotionaler Diskurs

Laut profil vorliegenden Informationen wollte auch die ÖVP einen so genannten Amicus-Curiae-Brief an den IStGH übermitteln. Österreich habe sich seit der Gründung des IStGH stets für die unabhängige und unparteiische Ausübung dessen Mandats eingesetzt. Gerade in der Situation in Palästina, die weltweit auch im öffentlichen Diskurs hochpolitisch und hochemotional behandelt wird, sei es für den IStGH zentral, jeglichen Anscheins von politischen Entscheidungen zu vermeiden, lässt man aus dem Bundeskanzleramt wissen. „Die Anhörung der Rechtsmeinungen von Vertragsparteien zu zentralen Rechtsfragen kann dem Gerichtshof dabei helfen, zusätzliche Sichtweisen zu erhalten und dadurch rechtlich möglichst fundierte und begründete Entscheidungen in unabhängiger und unparteiischer Weise zu treffen“, so das Bundeskanzleramt. 

Voraussetzung dafür ist Benennung eines Prozessvertreters, ein Beschluss der Bundesregierung und die Unterschrift des Bundespräsidenten. Doch der grüne Koalitionspartner will nicht, dass Österreich eine Stellungnahme abgibt, moniert man seitens der Kanzlerpartei.

Solidarisch an der Seite Israels

Die Grünen kontern: „Die ÖVP ist kurzfristig an uns herangetreten, eine Prozessvollmacht im Rahmen eines Ministerratvortrags für die Abgabe einer rechtlichen Stellungnahme in der Bundesregierung zu beschließen. Diese hätte auf die Unzuständigkeit des IStGH in Hinblick auf den Premier- und den Verteidigungsminister Israels abgestellt. Eine entsprechende inhaltliche Einschätzung zur Erarbeitung einer solchen gemeinsamen Stellungnahme ist zu diesem Zeitpunkt und in der kurzen Zeit unrealistisch erschienen“, heißt es aus dem Büro von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) gegenüber profil. Österreich stehe nach dem Terror vom 7. Oktober solidarisch an der Seite Israels, heißt es weiters. „Wir stehen den Einrichtungen des IStGH grundsätzlich positiv gegenüber und gehen davon aus, dass dieser die aufgeworfenen Fragen im Sinne des Internationalen Rechts entscheidet“, so das Büro des Vizekanzlers. 

Die schwarze Reichshälfte sieht das anders: Das Einbringen eines Amicus-Curiae-Schriftsatzes sei keine politische Einflussnahme auf den IStGH, sondern eine verfahrensrechtlich vorgesehene Möglichkeit zur Stellungnahme.  „Der mangelnde Wille des Koalitionspartners hat verhindert, dass Österreich seine Rechtsposition darlegt und damit einen wichtigen Beitrag zur Rechtsfindung durch das Gericht leistet“, heißt es aus dem Bundeskanzleramt.

Christina   Hiptmayr

Christina Hiptmayr

war bis September 2024 Wirtschaftsredakteurin und Moderatorin von "Vorsicht, heiß!", dem profil-Klimapodcast.