Nehammers „Österreichplan“: Die nächste Gießkanne?
Der Kanzler lädt ein: am Freitag enthüllt Karl Nehammer (ÖVP) seinen „Österreichplan”. Wels ist die Stadt, in der das Zukunftsprogramm verkündet wird und vorweg ließ die Volkspartei Auszüge der Rede über verschiedene Medien durchsickern.
Die meisten Reaktionen löste der Wunsch nach einem Gender-Verbot aus. Mehr Beachtung verdienen allerdings die üppigen Steuersenkungen, die Nehammer - wohl nicht zufällig im Wahljahr 2024 - vorschweben. Demnach sollen fünf Millionen Menschen der „arbeitenden Mitte” profitieren. Mit einer Senkung der Lohnnebenkosten sollen die hohe Abgabenquote und die Arbeitskosten für den heimischen Wirtschaftsstandort reduziert werden.
Mehr im Börserl
Was schwebt dem Kanzler vor? Der Eingangssteuersatz soll von 20 auf 15 Prozent gesenkt werden. Auf dem Lohnzettel betrifft das den Teil des monatlichen Bruttoverdienstes bis 1745 Euro. Eine populäre Ankündigung, denn von der Maßnahme würden alle die Lohnsteuer zahlen profitieren. Aber Vorsicht ist angebracht: Das Modell wird in der laufenden Legislaturperiode wohl kaum umgesetzt, vielmehr handelt es sich bereits um ein Wahlkampfversprechen. Und: Experten warnten zu Zeiten der Hochinflation vor der Gießkanne (Stichwort: kalte Progression), denn sie würde die Teuerung weiter befeuern.
Die Inflationsrate ist mit 5,6 Prozent immer noch weit vom angestrebten Zweier entfernt. „Alles was in die Breite ausrollt, stärkt zwar die Nachfrage, aber so kann eben auch wieder die Inflation über den Nachfragedruck hochgehalten werden”, sagt Holger Bonin vom Institut für höhere Studien (IHS) zu profil. Geht es nach dem Ökonomen, sollte vielmehr die Progression im Steuersystem hinterfragt werden. Denn die derzeitigen Grenzsteuersätze wären so scharf gestaltet, dass Steuerzahler sehr schnell in die höhere Steuerklasse rutschen würden - ein Hemmschuh für Beschäftigte, die ihre Arbeit ausweiten wollen.
Fiskalratspräsident Christoph Badelt befürwortet grundsätzlich den Plan, langfristig die Abgaben auf den Faktor Arbeit zu senken. Doch: "Ich frage mich, wie man mit einer unter 40 Prozent liegenden Abgabenquote die gegenwärtigen Staatsausgaben finanzieren will”, so Badelt, “wenn man das will, muss man sagen, wo man bei den Ausgaben sparen will.”
Nach Ansicht des Wirtschaftsprofessors wird „Sparen im System” schwierig, da in naher Zukunft große Ausgabenerhöhungen stattfinden müssen – die demographische Entwicklung wird beispielsweise die Pflegekosten in die Höhe treiben.
Mehr in der Kasse
Geht es nach dem durchgesickerten Nehammer-Plan sollen bis 2030 die Lohnnebenkosten schrittweise um 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Davon würden zunächst die Unternehmen profitieren, die diese Abgaben abführen müssen. Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) argumentiert in seinem Blog, dass die Maßnahme einen „Mehr-Netto-Automatismus” auslösen würde, weil sich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer verbessere und sie so Spielräume für eine Lohnerhöhung hätten. Dass eine Senkung der Arbeitskosten tatsächlich beim Arbeitnehmer ankommen, ist allerdings kein Naturgesetz. Wem eine Senkung der Lohnnebenkosten letztlich nützt, lesen Sie hier.
Geht es nach Kanzler Nehammer, sollen die Beiträge Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) von den Lohnnebenkosten gelöst werden. Aus dem FLAF wurden bisher Leistungen wie die Familienbeihilfe oder auch die Schülerfreifahrt finanziert. Eine Leistung, die der Allgemeinheit zugutekommt, soll von den Arbeitgeberbeiträgen entkoppelt und in das Bundesbudget überführt werden. Mehr Bundesausgaben für Familie, trotz gesenkter Steuereinnahmen – wie sich das ausgeht, hat der Kanzler noch nicht gesagt.
Mehr Steuerzahler
„Wir brauchen mehr Steuerzahler, die aber weniger Steuern zahlen“, heißt es in der Entwurfsrede des Kanzlers. Der Ansage mehr Sozialhilfeempfänger in Beschäftigung zu bringen, kann Fiskalratspräsident Badelt nichts abgewinnen: „Die meisten Sozialhilfeempfänger sind nicht arbeitsfähig oder von der Arbeitsplicht ausgenommen.“
In Österreich gibt es an anderer Stelle ein schlummerndes Arbeitskräftepotenzial. Mehr Frauen und ältere Menschen in Beschäftigung zu bringen, ist die Empfehlung vieler Ökonomen, doch die Probleme sind seit Jahren bekannt: fehlende Betreuungsplätze und attraktive Frühpensionen führen dazu, dass die Menschen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen.
Vielleicht verrät Nehammer in seiner Rede am Freitag, wie er seine Pläne zu finanzieren denkt? Oder aber er hält es mit SPÖ-Chef Andreas Babler. Der sagte in seiner Parteitagsrede im November, es sei “unmoralisch”, die Frage nach der Finanzierung zu stellen.