Notenbank-Posten: Interner Widerstand gegen Parteibuchwirtschaft
Chefs kann man sich in der Regel nicht aussuchen. Was zahlreiche Mitarbeiterinnen und Führungskräfte der Nationalbank (OeNB) aber fordern, sind transparentere Bewerbungsprozesse und öffentliche Hearings für die Spitzenjobs in der Notenbank. So, wie das in zahlreichen anderen EU-Ländern und bei der Bestellung der EZB-Spitzen Usus ist. In Österreich entscheidet die Regierung letzten Endes, der Bundespräsident unterschreibt das Ernennungsdekret. Das ist nicht neu. Dennoch trudelten beim zuständigen OeNB-Präsidium zuletzt wieder Appelle aus dem Haus ein, man möge doch bitte endlich für mehr Transparenz bei der Bestellung sorgen, um nicht den Anschein von politischem Postenschacher zu erwecken.
Zur Erinnerung: Vergangene Woche haben OeNB-Präsident Harald Mahrer und Vizepräsidentin Ingrid Reischl – Mahrer ist Präsident der Wirtschaftskammer, Reischl Generalsekretärin beim Gewerkschaftsbund – ihre Vorschläge für die Nachbesetzung des Direktoriums in der OeNB der türkis-grünen Regierung übermittelt. Der Ministerrat entscheidet heute oder kommende Woche über die Dreiervorschläge für die einzelnen Spitzenjobs ab 2025. Im kommenden Jahr werden gleich alle vier Chef-Posten nachbesetzt: jener von Gouverneur Robert Holzmann, er war seinerzeit Wunschkandidat der FPÖ; der seines Vizes Gottfried Haber (galt als ÖVP-Kandidat) und jene der Direktoren Thomas Steiner und Eduard Schock.
Auf dem Wunschzettel des Präsidiums findet sich der Name des von der ÖVP nominierten Wirtschaftsministers Martin Kocher wieder. Er soll Gouverneur werden. Edeltraud Stiftinger, derzeit Chefin des Austria Wirtschaftsservice, könnte Vizegouverneurin werden. Thomas Steiner, der intern als ÖVP-Kandidat gilt, soll wieder ins Direktorium einziehen. Und auch der Grünen-Koalitionsverhandler Josef Meichenitsch, ehemals in der Finanzmarktaufsicht und nunmehr in der OeNB, soll einen Posten im Direktorium bekommen.
Kaum Transparenz, wenig Frauen
Dass bei der Besetzung so hochrangiger Positionen einer zentralen, weisungsfreien österreichischen Institution die Namen der Kandidaten überhaupt mit (Regierungs-)Parteien in Verbindung gebracht werden, stößt vielen im Haus sauer auf – und das schon seit Jahren. Außerdem kompromittiert das auch geeignete Kandidaten schon in vorhinein oder schreckt andere davor ab, sich überhaupt zu bewerben.
„Wir fordern daher einen mehrstufigen, für die Öffentlichkeit transparenten Auswahlprozess für alle Generalrats- und Direktoriumsmitglieder, der internationalen Standards entspricht“, steht in einem Schreiben der Liste „OeNB 2030er:innen“ vom Mai dieses Jahres, das im Haus die Runde machte. „Mit dem bedenklichen Parteieneinfluss in der OeNB wollen und dürfen wir uns nicht abfinden.“ Die Liste kandidierte bei den Betriebsratswahlen und gilt als den Grünen nahestehend.
Abfinden wollen sich auch die OeNB-Frauen mit gewissen Vorgängen nicht. In einem internen Brief an den Generalrat der OeNB und die Präsidenten Mahrer und Reischl, forderten die Gleichbehandlungsbeauftragten der OeNB und die Mitglieder des OeNB Women’s Forums bei der Listenerstellung neben den fachlichen Voraussetzung: „eine der österreichischen Bevölkerung entsprechende adäquate Repräsentation von Frauen und Männern.“ Maria Schaumayer war von 1990 bis 1995 Präsidentin der Notenbank und die allererste Frau in dieser Position weltweit. In der OeNB blieb sie die einzige Frau an der Spitze. Heute sind rund 40 Prozent der Belegschaft und fast ein Drittel aller Führungskräfte weiblich. Unter den vier öffentlich kolportierten, aussichtsreichsten KandidatInnen findet sich nur eine Frau. Und sie ist keine Geldökonomin.
Kritik, zumindest indirekt, gibt es in dem Schreiben auch am Bestellvorgang: „setzen Sie sich für ein transparentes und strukturiertes Auswahlverfahren ein (vgl. EZB, FED)“, lautet eine weitere Forderung.
Derzeit gehen die Bewerbungen an den Generalrat. Das ist eine Art Aufsichtsrat, dem die beiden Präsidenten und acht weitere Mitglieder angehören. Der Generalrat erstellt dann für jeden Posten einen Dreiervorschlag und übergibt die Vorschläge an die Bundesregierung. Letzten Endes entscheidet der Ministerrat über die Ernennung. Also im Fall von Wirtschaftsminister Kocher, würde dieser von seinen Ministerkollegen in der Regierung zum OeNB-Gouverneur gewählt werden.
Das ist vielerorts nicht Usus. Dass das Women’s Forum in seinem Brief an den Generalrat auf die EZB verweist, liegt daran, dass sich Präsidentin Christine Lagarde einem mehrstufigen Auswahlverfahren stellen musste – unter anderem einer Abstimmung des Plenums im EU-Parlament. Auch in Deutschland, den Niederlanden oder in einigen EU-Ostländern werden Hearings vor den nationalen Parlamenten durchgeführt.
Die Liste „OeNB 2030“ fordert deshalb „öffentliche Hearings vor dem Wirtschafts- und Finanzausschuss des Parlaments für alle Bewerber:innen auf der Shortlist“. Auch, dass die österreichische Staatsbürgerschaft ein Auswahlkriterium ist, schränkt die Suche zusätzlich ein. Bei der OeNB möchte man die Bestellung des neuen Direktoriums auf Nachfrage nicht kommentieren.
Abgang mit Fragezeichen
In der OeNB sorgen aber nicht nur die möglichen neuen Zugänge für Aufregung, sondern auch bevorstehende Abgänge. Vizegouverneur Haber soll nach seinem Ausscheiden bei der OeNB 2025 an die Spitze des Aufsichtsrats der Erste Bank wechseln, zumindest wenn es nach Andreas Treichl, dem Vorsitzenden der Erste Stiftung geht. Haber war bei der OeNB auch für die Bankenaufsicht zuständig. Ganz verkürzt gesagt: Er weiß alles über jede Bank in diesem Land. Sich aus der Notenbank direkt in den Dienst einer heimischen Großbank zu stellen, wird in der Branche jedenfalls nicht unkritisch gesehen.
Business as usual. Ich wünsche Ihnen einen ertragreichen Tag!
Transparenzhinweis: Josef Meichenitsch wechselte von der Finanzmarktaufsicht in die Nationalbank. In einer früheren Version des Artikels stand, dass er noch bei der Finanzmarktaufsicht tätig ist.