US-Wahlkampf

Obama über Harris: „Yes, she can!“

Wie Barack Obama Wahlkampf für Kamala Harris macht.

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Nach knapp zwanzig Minuten auf der Bühne sagt Barack Obama den Satz, auf den sein Publikum gewartet hat. Es war unklar, ob er ihn aussprechen würde. Ist er überhaupt passend? Wirkt er nicht wie ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit? 

Es ist der Slogan, der Obama 2008 weltweit berühmt und schlussendlich zum ersten, schwarzen Präsidenten der USA gemacht hat: Yes, we can! 

Jetzt hat er ihn 16 Jahre später wieder ausgepackt. 

Denn seine Partei, die Demokraten, haben keine Zeit zu verlieren. Sie stecken mitten in einem Last-Minute-Wahlkampf. Elf Wochen bleiben ihnen noch bis zur Wahl im November. Am Dienstag hat Obama am Parteitag der Demokraten in Chicago gesprochen. 

Und er rief seinen alten Slogan in leicht abgewandelter Form ins Publikum: Yes, she can! 

Gemeint ist Kamala Harris, nach dem Ausscheiden von Joe Biden, dem amtierenden US-Präsidenten, die neue Kandidatin der Demokraten. Sie will ihren republikanischen Rivalen Donald Trump im Herbst schlagen und tatsächlich: Sie erlebt gerade so etwas wie ein Momentum. In Umfragen liegt Harris vor Trump, auch in einigen heiß umkämpften Swing-States.

Die Frage, wie lange dieser Hype hält, haben wir uns auch in der aktuellen Ausgabe gestellt. 

Am Parteitag der Demokraten diese Woche haben viele Rednerinnen und Redner für Harris geworben: Ihr Ehemann Douglas Emhoff, Präsident Joe Biden, das Ehepaar Bill und Hillary Clinton, die frühere Sprecherin des Weißen Hauses, Nancy Pelosi. Und da war auch Stephanie Grisham, zwei Jahre lang im engsten Beraterkreis von Donald Trump. Sie erklärte, warum sie im November nicht für ihren Ex-Chef stimmen werde. 

Keine Rede hat die demokratische Basis so elektrisiert, wie die des Ex-Präsidenten Barack Obama. Er und seine Frau Michelle, die direkt vor seinem Auftritt sprach, haben Popstarstatus in der Partei. 

Bromance mit Biden 

Dabei steckte Obama zuletzt in einer Zwickmühle. Immerhin war Joe Biden sein Vize im Weißen Haus gewesen. Von einer „Bromance“, also einer tiefen Männerfreundschaft, war die Rede. Hinter den Kulissen dürfte Obama in den letzten Wochen eine wesentlichen Rolle dabei gespielt haben, Biden vom Rücktritt zu überzeugen.

Auch wenn Obama das nicht so deutlich ausspricht. Harris wirkt ein bisschen wie seine Erbin.  

„Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin gut drauf. Ich spüre wieder Hoffnung“, ruft Obama. Hoffnung, das war das zentrale Schlagwort in seiner eigenen Kampagne. 

Hoffnung brauche es jetzt auch, um den tiefen Kluft in der US-amerikanischen Gesellschaft zu kitten, meint Obama. 

„Wir vertrauen uns nicht mehr, weil wir uns nicht die Zeit nehmen, uns kennenzulernen", sagt er. Politiker und Algorithmen führten dazu, dass man „Angst voreinander habe“. Dabei könnten Nachbarn, die anderer Meinung sind, doch gut miteinander auskommen. 

Inhaltlich porträtiert Obama Harris als die Kandidatin der sozialen Gerechtigkeit, der Mittelschicht und Arbeiterschaft. „Sie wird jeden Tag für euch aufstehen und für euch kämpfen“, verspricht er. Trump stellt er als einen alten Milliardär dar, der Steuererleichterungen zulasten der Mittelklasse durchboxen wolle, um die Reichen noch reicher zu machen. 

Die Umfragen sehen Harris knapp vorne. Aber war das 2016 bei Hillary Clinton nicht auch so? Damals ruhten sich die Demokraten siegessicher aus. Am Ende gewann Donald Trump. 

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.