Morgenpost

Wie die blau-schwarze Energiepolitik aussehen könnte

FPÖ und ÖVP planen Kürzungen bei Klimabonus, E-Auto-Förderung und Photovoltaik. Kritik daran äußern die betroffenen Sparten der vom ÖVP-Politiker Harald Mahrer geführten Wirtschaftskammer (WKO).

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„Wir reißen alle Windkraftwerke nieder, nieder mit diesen Windmühlen der Schande“, schrie AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel am Wochenende beim Parteitag der Alternative für Deutschland im sächsischen Riesa ihren Anhängerinnen und Anhängern zu. Die FPÖ-Schwesterpartei in Deutschland ließ tief blicken, welche Energiepolitik sie am liebsten einschlagen würde: Subventionen und Förderprogramme für den Klimaschutz streichen und das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen. Ebenso möchte Weidel stillgelegte Atomkraftwerke reaktivieren und die Laufzeiten für Kohlekraftwerke verlängern. 

Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl teilt eine ähnliche Ansicht bezüglich Windräder. Und weil Österreich sparen muss, könnte es unter einer blau-schwarzen Regierung neben dem Ausbau der Windkraft künftig auch Photovoltaikanlagen und Elektroautos an den Kragen gehen.

„Wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 nicht erreichen, dann drohen Nachkäufe (...), die gehen bis Richtung neun Milliarden Euro.“

Gabriel Felbermayr, Wifo

Am Montag präsentierten FPÖ und ÖVP einen grundsätzlichen Fahrplan, wie sie das Budget sanieren wollen. Kürzen oder streichen möchten blau-schwarz unter anderem den Klimabonus, das Klimaticket, steuerliche Begünstigungen für E-Autos sowie die Förderung von Photovoltaikanlagen.

Klimaförderungen einzusparen, könnte Österreich langfristig mehr schaden, als es kurzfristig bringt. Denn weicht man vom unter ÖVP und Grünen eingeschlagenen Weg ab, sorgt das nicht nur für Verunsicherung und Planungsunsicherheiten bei Unternehmen. „Wenn wir unsere Klimaziele bis 2030 nicht erreichen, dann drohen Nachkäufe von CO2-Verschmutzungsrechten, die teuer sind, dann gibt es Rechnungen, die gehen bis Richtung neun Milliarden Euro“, sagte der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstitutes Gabriel Felbermayr am Sonntag in der ORF-Pressestunde. „Das will man sicher nicht, und das würde die Budgetkonsolidierung, über die wir hier sprechen, noch einmal deutlich erschweren“, so der Wirtschaftsforscher.

Zumindest die ÖVP steht vor einem weiteren Problem: Für sie könnte die gemeinsame Energiepolitik zur Nagelprobe werden. Denn die Zurufe aus der ÖVP-geführten Wirtschaftskammer (WKO), nicht alle Klimaförderungen zu streichen, werden lauter. So sprach sich etwa der Fahrzeughandelsobmann in der Wirtschaftskammer, Klaus Edelsbrunner, bereits dafür aus, den Kauf von E-Autos weiter zu subventionieren. Und auch Manfred Denk, Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker in der Kammer, appellierte an eine Fortsetzung der Förderungsaktion beim Heizkesseltausch. Geschehe dies nicht, fürchtet die Branche einen Auftragseinbruch, Tausende Arbeitsplätze wären dann in Gefahr.

WKO-Masterplan als Verhandlungsbasis?

Geht es nach Wirtschaftskammer-Boss Harald Mahrer (ÖVP), der bei den Koalitionsverhandlungen mit am Tisch sitzt, dann gilt es, das wohl tunlichst zu vermeiden. Generell sind die Interessen der Wirtschaftskammer bezüglich der Energiestrategie längst festgeschrieben: im WKO-Energiemasterplan, ausgearbeitet vom Grazer ÖVP-Ex-Bürgermeister und nunmehrigen WKO-Energie-Sonderbeauftragten Siegfried Nagl.

Als die Tageszeitung „Der Standard“ im Oktober Passagen des endgültigen Papiers veröffentlicht, wird bekannt, dass Umweltorganisationen im Bewilligungsverfahren von Energieprojekten geschwächt werden sollen, und weiter an fossilen Energieträgern festgehalten werden soll. Zumindest vorübergehend. Im Energieplan, der bereits Teil der geplatzten Verhandlungen von ÖVP, SPÖ und Neos war, pocht die WKO auch auf „eine rasche und effiziente Umsetzung der europäischen Normen in Gaswirtschaftsgesetz, Elektrizitätswirtschaftsgesetz oder Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz“, analysiert E-Control-Experte Leo Lehr für profil.

„Einige Aspekte werden eher oberflächlich oder kaum angesprochen, wie zum Beispiel der Heizungstausch, der Umbau der Privat-Pkw-Flotte oder auch der Strukturwandel in sich verändernden Branchen.“

Christoph Dolna-Gruber, Österreichische Energieagentur

über den WKO-Energiemasterplan

Ähnlich sieht das Christoph Dolna-Gruber von der österreichischen Energieagentur: „Ich verstehe den Masterplan als klares Bekenntnis zu einer beschleunigten und vereinfachten Energiewende. Es ist ein Bekenntnis pro Energieeffizienz und Erneuerbaren-Ausbau in sämtlichen Bereichen und ein Aufruf für moderne Netze, Flexibilisierung und Speicher“, sagt Dolna-Gruber. Der Plan habe laut dem Experten aber auch Schwächen.

Wenig Fokus auf Windkraft, Raumplanung und Naturschutz 

„Einige Aspekte werden eher oberflächlich oder kaum angesprochen, wie zum Beispiel der Heizungstausch, der Umbau der Privat-Pkw-Flotte oder auch der Strukturwandel in sich verändernden Branchen“, so der Experte. Während Bereiche wie klimaneutrale Gase beziehungsweise Wasserstoff sehr detailliert beschrieben werden, wird „ein aus meiner Sicht wichtiges Thema – die Windkraft – nicht im entsprechenden Ausmaß adressiert. Auch die Rolle und Verantwortung der Länder, Stichwort Raumplanung, UVP-Verfahren und Naturschutz, ist nur spärlich beleuchtet“, sagt Dolna-Gruber.

Welche Rolle aber spielt das 71 Seiten starke Papier, in dem die Wirtschaftskammer schnellere Genehmigungsverfahren, den Ausbau der Eigenstromerzeugung und den laut Experten überdimensioniert angelegten Weg hin zum Wasserstoff-Hub Europas skizziert, in den laufenden Koalitionsverhandlungen? „Als notwendig und sinnvoll erachtete Inhalte werden auch weiterhin in die Verhandlungen eingebracht werden“, heißt es aus der WKO auf Nachfrage.

„Ich deute den Plan vor allem als Anstoß zur politischen Diskussion. Er macht auch deutlich, dass das Thema Energie und die Umsetzung unzähliger zugehöriger Gesetzesmaterien relativ schnell aufs Tableau einer neuen Regierung gebracht werden sollte. Im Sinne des Klimas, aber ebenso im Sinne der österreichischen Wirtschaft“, sagt Energieexperte Lehr.

Wie viel davon im nächsten Koalitionspapier stehen wird, bleibt abzuwarten, „prinzipiell lassen sich Teile des Energiemasterplans aber mit den Zielen der FPÖ – etwa leistbare Energie bereitzustellen – in Übereinstimmung bringen“, sagt Dolna-Gruber. 

Wie viel davon schlussendlich auch in Gesetze gegossen wird, hängt nicht nur von der aktuellen Budgetsituation ab, sondern auch vom Willen der anderen Parteien. Denn, so Dolna-Gruber: „Diese Koalition bräuchte meist noch die Zustimmung einer dritten Partei, denn der Großteil der Gesetze im Energiebereich verlangt im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit, die mit den 108 Mandaten von FPÖ und ÖVP nicht erreichbar ist.“

Julian Kern

Julian Kern

ist seit März 2024 im Online-Ressort bei profil und Teil des faktiv-Teams. War zuvor im Wirtschaftsressort der „Wiener Zeitung“.