Ozempic-Spritze
Medizin

Ozempic: Abnehmen zwischen Wahn und medizinischer Notwendigkeit

Ein bahnbrechendes Adipositas-Medikament wurde zur umstrittenen Spritztherapie mit Millionen potenziellen Anwendern. Wohin führt der Ozempic-Hype?

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Immer wieder gelingt es der Wissenschaft, Produkte zu entwickeln, die dann für ihre Nebenwirkungen bekannt sind. So war das beim Potenzmittel Viagra, das eigentlich gegen Bluthochdruck herausgebracht wurde. Ozempic ist auch so ein Fall.

Ursprünglich wurde das Medikament mit dem Wirkstoff Semaglutid für Diabetiker zugelassen. Inzwischen steht es synonym für eine gesamte Generation an Medikamenten: GLP-1-Analoga ahmen ein natürlich im Darm vorkommendes Hormon nach und wirken appetitzügelnd.

Diese wissenschaftliche Errungenschaft hat einen globalen Hype ausgelöst – und auch in Österreich eine Debatte gestartet, ob Abnehmen reichen Menschen vorbehalten sein soll oder die Krankenkasse beisteuern soll (mehr dazu hier).

Immerhin kostet die off-label Behandlung mit Ozempic 143 Euro im Monat. Das dezidiert zum Abnehmen gedachte Produkt Wegovy von Novo Nordisk kostet im Vergleich 540 Euro. Die ökonomische Wahl fällt also auf ersteres. Seit Juni ist auch Mounjaro mit dem Wirkstoff Tirzepatid vom US-amerikanischen Konzern Eli Lilly in Österreich verfügbar – um satte 541 Euro pro Monatspackung.

Zukunftspotenzial

Ozempic, Wegovy & Co haben den dänischen Hersteller an die Börsenspitze katapultiert. Mit einem Wert von 500 Milliarden Euro ist Novo Nordisk das wertvollste Unternehmen Europas. Und das ist erst der Anfang. Weitere Präparate sind im Vormarsch, neue Generationen an Medikamenten versprechen, gar noch effizienter bei überschüssigen Kilos zu helfen. Das Marktpotenzial ist gewaltig. 

Dieser Trend geht an der Lebensmittelindustrie nicht vorbei. Der Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé arbeitet laut „The Guardian“ etwa an „hilfreichen Begleitern während der Behandlung mit Abnehm-Medikamenten“.

Die Begeisterung über GLP-1-Präparate ist groß. Doch ein Medikament allein kann das zunehmende Übergewicht der Bevölkerung auch nicht wegspritzen. Fachleute pochen auf Prävention bereits im Schulalter, mehr Bewegung und mahnen zur Vorsicht bei ungesunden Lebensmitteln.

Social Media und Hollywood haben dazu geführt, dass Abnehmen in der breiten Bevölkerung nicht mehr als Schande empfunden wird. Das ist gut so. Doch es darf nicht nur darum gehen, dicke Körper zu dezimieren. Die Behandlung von Adipositas muss über den Hype hinaus betrachtet werden – nämlich als medizinische Notwendigkeit. Über die Hälfte der Österreicher:innen ist übergewichtig. Dabei ist einer von sechs Menschen im Land adipös – ihre Gesundheit ist gefährdet.

Doch Ozempic ist bei weitem keine glamouröse Lifestyle-Droge. Eine Bilanz aus Studien und Berichten aus der Praxis lesen Sie ab heute Mittag im E-Paper und ab Samstag in der Trafik.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.