Morgenpost

Papst Franziskus: Das Erfolgsgeheimnis des Weltpfarrers

Am Ostermontag starb Papst Franziskus. Er machte uns armen Sündern kein schlechtes Gewissen, sondern verbreitete Lebensfreude.

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Eigentlich sollten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, an dieser Stelle eine Morgenpost zur kommenden Sonntag stattfindenden Wien-Wahl lesen. Versprochen: Morgen geht die Serie weiter. Der Brückenschlag von der Wahl in der Bundeshauptstadt zum Tod von Papst Franziskus darf über den Wiener Bürgermeister erfolgen. Michael Ludwig ist bekennender Katholik. In den Pflichtschulen seiner Stadt ist der Islam mit 41 Prozent die stärkste Religion. In einem großen Interview im profil äußerte sich Ludwig dazu auf bemerkenswerte Art: „Allen, die sich da Sorgen machen, sage ich immer: Wer will, dass das prozentuelle Verhältnis von Katholiken höher ist, braucht einfach nur nicht aus der katholischen Kirche auszutreten oder tritt neu ein, dann verschiebt sich das Verhältnis zum Islam wieder.“

Der am Ostermontag an einem Schlaganfall verstorbene Papst suchte einen Ausgleich mit dem Islam. Am 4. Februar 2019 unterzeichneten Franziskus und der Kairoer Großimam Ahmad Mohammad Al-Tayyeb in Abu Dhabi das „Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt“. Es war das erste Mal, dass ein Papst die arabische Halbinsel besuchte. In konservativen Kirchenkreisen löste das Dokument teils Entsetzen aus. Man warf Franziskus vor, mit seiner Unterschrift das Christentum relativiert zu haben, da es darin als eine von mehreren gottgewollten Religionen betrachtet werde. 

In diesen Kreisen „werden sich jetzt weltweit einige die Hände reiben. Nicht wenige warten seit Jahren auf das Ableben seiner Heiligkeit.“ So lautet das brutal anmutende Zitat eines Monsignore, mit dem der langjährige profil-Autor Thomas Migge, ein Kenner von Rom und Vatikan, gesprochen hat. In seinem Nachruf nennt Migge Franziskus einen „Provokateur“, dessen „erstaunliches Pontifikat voller Reformen und Widersprüche“ gewesen sei. 

Der „linke“ Papst

Franziskus war – wie vielfach beschrieben – ein Papst für die Armen und Schwachen. Er geißelte das kapitalistische System, die Umweltzerstörung, den Klimawandel. Seine Wortwahl brachte ihm den Ruf ein, ein „linker Papst“ zu sein – vielleicht der größte Irrtum in der Franziskus-Exegese. Das christliche Prinzip der Caritas, Nächstenliebe und Einsatz für alle Notleidenden, ist Auftrag des Priesters, insofern kann man jeden Pfarrer einen „Linken“ nennen. 

Franziskus verstand sich als eine Art „Weltpfarrer“. Links an ihm war maximal sein bescheidener Lebensstil – in der Tradition des heiligen Franz von Assisi. Der deutsche Vatikan-Experte Andreas Englisch erklärt in einem „Welt“-Interview, warum Franziskus auf eigenen Wunsch in der römischen Basilika Santa Maria Maggiore und nicht im Petersdom begraben wird: „Er hatte mit diesem gewaltigen barocken Bau, mit dem vielen Gold immer seine Probleme. Wenn Sie einen Gottesdienst von Franziskus in dieser Kirche gesehen haben, hatten Sie manchmal das Gefühl, er passt da genauso wenig hin wie Jesus Christus. Man dachte oft: Das ist eigentlich nicht sein Zuhause.“

Einen erhellenden Beitrag zum Wirken von Papst Franziskus finden Sie hier. Paul Zulehner, Priester und Professor für Pastoraltheologie und Pastoralsoziologie, schreibt: „Innerkirchlich erwies sich Franziskus wie ein kundiger ärztlicher Diagnostiker. Er hielt eine Kirche, die um sich selbst kreist, für krank. Der ererbte Klerikalismus, der geistliche Vollmacht zum Machtmissbrauch nützt, war für ihn wie ein Krebsgeschwür.“ Der verstorbene Papst war ein gnadenloser Formulierer. In seiner Weihnachtsansprache 2014 übte er heftige Kritik an Kurie und Bürokratie im Vatikan. Er sprach von „15 Krankheiten“ und nannte unter anderem: „sich unsterblich fühlen“, „mentale Erstarrung“, „spirituellen Alzheimer“ und „Terrorismus des Geschwätzes“.

Papst Franziskus schätzte auch bodenständige Vergleiche. Er sei natürlich gegen Verhütung, meinte er im Jahr 2015, aber Gott habe den Menschen die Mittel gegeben, verantwortungsbewusst zu handeln: „Manche glauben – und entschuldigen Sie den Ausdruck –, um gute Katholiken zu sein, müssten sie sich wie die Karnickel vermehren.“ 

Vielleicht liegt darin ja ein Grund für die Beliebtheit von Franziskus bei den Gläubigen: Der verstorbene Papst machte uns armen Sündern nicht ständig ein schlechtes Gewissen, sondern verbreitete ehrliche Lebensfreude.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.