Morgenpost

Pilnacek-Vorwürfe: Kommt nun ein Untersuchungsausschuss?

Heimlich aufgenommenes Gespräch belastet ÖVP schwer: Wünsche Ermittlungen „abzudrehen“ - ÖVP spricht von „KGB-Methoden“.

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen griff zu deutlichen Worten: „Ich habe mir gedacht, das kann doch alles nicht wahr sein“ sagte er – und: die Zustände sind wie „ein Wasserschaden am Bauwerk Demokratie“. Diese Wut-Rede des damals eben wiedergewählten Staatsoberhauptes ist rund ein Jahr her. Er hielt sie kurz nach dem Geständnis von Thomas Schmid, dem Mann mit dem Talent für kultige Chat-Formulierungen.  Van der Bellen wollte es nicht beim Reden belassen – sondern forderte von den Parteien Konzepte, wie nach all den Korruptionsvorwürfen wieder Vertrauen hergestellt werden kann.

Das ist, leider, nicht geschehen. Im Gegenteil: Die Rohre im Gebäude der Republik sind noch immer reichlich leck. Und nun passierte wieder ein  Wasserrohrbruch. 

Wenige Wochen nach dem Tod von Christian Pilnacek tauchte eine heimliche Tonaufnahme auf. Sie stammt vom 28. Juli 2023, mitgeschnitten  in einem Wiener Innenstadtlokal. Der am 20. Oktober verstorbene Pilnacek, zuletzt suspendierter Sektionschef im Justizministerium, unterhält sich nach 21 Uhr mit zwei Bekannten, einer nimmt das Gespräch am Handy auf. Pilnacek beschwert sich über zahlreiche Interventionsversuche und mangelnde Unterstützung durch die ÖVP. Konkret habe die  ÖVP versucht, Ermittlungen zu beenden und Hausdurchsuchungen zu verhindern. So habe, so Pilnacek auf dem Tonmitschnitt, der profil vorliegt, ein ÖVP-Minister nach einer Hausdurchsuchung verlangt, dass er diese abdrehe.

Explizit nennt Pilnacek, der bis zum Jahr 2020 die Aufsicht über alle Staatsanwaltschaften  ausgeübt hatte, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Wörtlich sagt Pilnacek: „Und in jedem Gespräch sagt der Sobotka: ‚Du hast selber versagt, du hast es nie abgedreht.‘“ Pilnacek behauptet in dem Gespräch, sich gegen alle Interventionsversuche gewehrt zu haben: „Ich kann nichts tun. Ich mache auch nichts. Ist alles rechtswidrig. Kann ich nicht leisten." Und: „Ich kann nicht irgendwelche Ermittlungen einstellen, die gerechtfertigt sind.“

Sobotkas Sprecher wies die Vorwürfe Dienstagabend empört zurück: Der Nationalratspräsident habe „niemals mit Pilnacek über laufende Verfahren, Ermittlungen oder Sicherstellungsanordnungen gesprochen“. Und: Die Inhalte des Tonbands zu veröffentlichen, das sei „pietätlos“ und ein „absoluter Tiefpunkt der politischen Kultur“.

Diese Verteidigungslinie der ÖVP hielt Generalsekretär Christian Stocker ein, auch in der "ZiB 2": Er sah sich an „KGB-Methoden erinnert“ und zeigte sich „sprachlos“, dass das „Andenken an einen Toten missbraucht“ werde. An Sobotka halte die ÖVP fest, betonte Stocker. Und erinnerte daran, dass Pilnacek im Untersuchungsausschuss 2020 unter Wahrheitspflicht ausgesagt hatte: „Ich kann  nicht jedes Gespräch ausschließen, aber es gab sicher keine Interventionen oder verfahrensbezogene Gespräche.“

In dem nun aufgetauchten Tonmitschnitt tönt Pilnacek anders. Und berichtet von jahrzehntelangen Interventionsversuchen: Schon die Justizministerin Beatrix Karl, für die ÖVP zwischen 2011 und 2013 im Amt, sei unter Druck gesetzt worden, Ermittlungen gegen die ÖVP einzustellen – in der Telekom-Affäre. Pilnacek wörtlich: „Und sie ist dann massiv angegriffen worden, hat ihre Ämter dann verloren, weil’s ihr das vorgeworfen haben, dass sie ihren Sektionschef nicht dazu bringt, in diese Verfahren zu intervenieren.“

Die Reaktion von Karl darauf fiel äußerst knapp aus: „Ich kommentiere illegal aufgenommene Aussagen eines Verstorbenen nicht.“

All das reichte der Opposition nicht. Die SPÖ ortete „organisierten Machtmissbrauch des Systems ÖVP“, die Neos legten Sobotka den Rücktritt nahe. 

Ein Schritt, den auch der Grüne Koalitionspartner durchaus begrüßen würde: „Ich an seiner Stelle, und das haben in der Vergangenheit bereits verschiedene hochrangige Grüne gesagt, hätte schon längst den Hut genommen, um das Ansehen dieses hohen Amtes zu schützen“, tönte die Grüne Generalsekretärin Olga Voglauer in Richtung Sobotka. Ansonsten bemühte sich Voglauer sichtlich, zurückhaltend zu reagieren, mit Worten wie: „Was das Tonband wieder einmal aufbringt ist, dass es immer wieder die Versuche gegeben hat, dass man Einfluss auf die Justiz nimmt.“ Dies gehe mindestens ein Jahrzehnt zurück. „Das ist nichts Neues", meinte Voglauer, aber: „Allein der Eindruck, dass das so gewesen sein könnte, ist Gift für eine Demokratie.“

Im Grün geführten Justizministerium wird geprüft, wie man Vorgänge vergangener Legislaturperioden sinnvoll durchleuchten kann. Voglauer geht davon aus, dass das nicht die einzige politische Konsequenz bleibt: Sie rechnet damit, dass die Opposition einen Untersuchungsausschuss zur Causa einrichten wird. Damit wäre, wie beim vorigen U-Ausschuss, der Knatsch zwischen den Koalitionsparteien garantiert.

Bleiben Sie dran, die nächste Folge in „House of Österreich“ kommt bestimmt.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin