Morgenpost

Politisches Nachbeben im Ländle

In Vorarlberg stehen die Zeichen auf Schwarz-blau. Was das für Bund und Ländle bedeutet.

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Die große Sensation blieb aus, nur ein kleines Nachbeben erschütterte gestern das Ländle: Die Volkspartei von Landeshauptmann Markus Wallner schlittert auf 38,3 Prozent das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der Partei, die Vorarlberg bis vor zehn Jahren mit absoluter Macht regiert hatte. Die FPÖ verdoppelt sich indes im Vergleich zur letzten Landtagswahl von 13,9 auf 28 Prozent. Die Grünen stürzen auf 12,5 Prozent ab, SPÖ und NEOS bleiben stabil im hohen einstelligen Prozentbereich. 

Das Ergebnis ist nicht sonderlich überraschend: Schon bei der Nationalratswahl vor zwei Wochen hatte die Volkspartei im Ländle, anders als im Bund, die Nase vorne. Zwei Prozentpunkte lag die ÖVP damals in Vorarlberg vor den Freiheitlichen. Ein knapperer Vorsprung bei der Landtagswahl wäre eine absolute Blamage für Landeschef Wallner gewesen. Immerhin herrschte seine Volkspartei Vorarlberg noch vor einem Jahrzehnt mit absoluter Macht.

Dennoch nutzte die Volkspartei das knappe Wahlergebnis der Nationalratswahl und eine entsprechende Umfrage auf Landesebene, um einen Kampf um den Landeshauptmann-Sessel auszurufen. Das fruchtete doppelt: Die Verluste hielten sich (vor allem im Vergleich zum Bund) in Grenzen und Markus Wallner kann sich trotz des historisch schlechtesten Ergebnisses seiner Partei in Vorarlberg als Wahlgewinner darstellen und einen klaren Regierungsauftrag für sich beanspruchen.

Die größten Verlierer der gestrigen Wahl sind die Grünen. Seit zehn Jahren koalieren sie in Vorarlberg mit der Volkspartei. Mit dem gestrigen Ergebnis dürfte das vorbei sein und die Grünen aus ihrer letzten Landesregierung fliegen: ÖVP und Grüne hätten nur 19 von 36 Mandaten im Vorarlberger Landtag also nur einen einzigen Abgeordneten Überhang. Eine theoretische Mehrheit, die Wallner wohl bestenfalls als Druckmittel in Verhandlungen mit den Freiheitlichen nutzen wird.

Zwar will Wallner am morgigen Dienstag mit allen Parteichefs sprechen, bereits vor der Wahl ließ der Landeshauptmann aber durchklingen, dass die Zusammenarbeit mit den Grünen nicht mehr viel Zukunft hat. Denn auch eine Dreier-Koalition will Wallner nicht, diese sei in Deutschland gescheitert und daher kein Modell für Vorarlberg, befand der Landeshauptmann.

Freiheitliche Freuden

Bleibt nur noch die FPÖ unter Christof Bitschi als möglicher Partner für die Volkspartei. Und anders als im Bund hat die Ländle-ÖVP eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen nicht ausgeschlossen, im Gegenteil: Bei bisherigen schwarz-grüne Reibpunkten wie die Integrationspolitik oder die von der grünen Verkehrsministerin Leonore Gewessler blockierte S18 wäre man sich mit der FPÖ rasch einig. Aus dem gestrigen Wahlergebnis hörte Wallner den eindeutigen Wunsch nach einer „Begrenzung der Zuwanderung“ heraus. Die sich daraus für Wallner ergebende „Leitlinie für Gespräche“ wird mit den Freiheitlichen am leichtesten zu finden sein.

Die Argumentation der Vorarlberger Volkspartei folgt dem Muster im Bund: Man ist durchaus bereit, mit den Freiheitlichen zusammenzuarbeiten (wie es die ÖVP ohnehin in Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg tut), findet inhaltlich sogar am meisten Schnittmengen mit der FPÖ, nur mit dem blauen Bundesparteichef Herbert Kickl will die ÖVP-Spitze nichts zu tun haben. 

Kickl spielte im Vorarlberger Wahlkampf allerdings keine Rolle und hielt keinen einzigen Wahlkampfauftritt im Ländle ab. Und Landes-FPÖ-Chef Bitschi diente sich bereits vor der Wahl als Juniorpartner an und formuliert deutlich gemäßigter als sein Bundesparteichef.

Für den Bund dürfte das politische Nachbeben in Vorarlberg minimale Auswirkungen haben: Durch eine schwarz-blaue Koalition im Ländle könnten die Stimmen für Blau-schwarz im Bund zwar lauter werden, doch gelten dort völlig andere Voraussetzungen: Die FPÖ will als klar stärkere Partei in der Bundesregierung die Linie vorgeben und ihren Parteichef Herbert Kickl zum Kanzler krönen. Beides ist für die Volkspartei keine attraktive Option. 

Innerhalb von ÖVP und FPÖ dürften zudem zumindest die Vorarlberger Landesorganisationen mit dem Ergebnis zufrieden sein: Markus Wallner hat ein schwächeres Minus erhalten als erwartet und kann Landeshauptmann bleiben. Und wenn es die FPÖ je nach Standpunkt trotz oder wegen Herbert Kickl in die Vorarlberger Landesregierung schafft, hat sie keinen (zusätzlichen) Grund, an ihrem Bundesparteichef zu zweifeln.

Im Westen nichts Neues

In den anderen Parteien könnte der Druck auf die politische Führung indes steigen, immerhin setzten sich im westlichsten Bundesland viele Trends der Nationalratswahl fort: Die SPÖ war in Vorarlberg von niedrigem Niveau mit ungewöhnlich breiter Brust aufgetreten und hatte viele Ressourcen in einen schlussendlich fruchtlosen Wahlkampf gesteckt eine weitere Niederlage, die die immer lauter werdenden parteiinterne Kritiker:innen gegen SPÖ-Chef Andreas Babler vorbringen können. 

Die NEOS hatten gehofft, das beste Ergebnis einer Landespartei weiter ausbauen zu können, stagnierten aber wie im Bund. Die Parteispitze rund um Beate Meinl-Reisinger könnte das Ergebnis in Vorarlberg als weiteren Ansporn sehen, im Bund mitzuregieren. 

Und die Grünen haben nun Gewissheit: Der Kampf gegen die Klimakrise allein bewegt nicht genügend Menschen zur Wahlurne. Die Partei wird sich thematisch neu aufstellen oder sich als reine Oppositionspartei neu erfinden müssen.

Dass all das an diesem Montagmorgen nicht Ihre Sorgen sind, hofft

Max Miller

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.