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Musk kauft Twitter: Freiheit für Trolle!

Der Stoff, aus dem die Zukunft ist: Elon Musk befreit Twitter wieder von Anstand und Moral.

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Na, ist Ihnen gestern etwas aufgefallen? Ja, genau, Twitter war immer noch genau so, wie es vorher auch war: Die einen haben sich aufgeregt, die anderen haben abgewiegelt, woraufhin Dritte mit großer Geste zur Moderation riefen und Vierte versuchten, durch größtmöglichen Unsinn neue Aufregung zu stiften. Gedreht hat sich das Ringelspiel gestern natürlich um Twitter selbst, denn – Sie wissen es schon – der US-amerikanische Autofabrikant und Raketen-Unternehmer Elon Musk hat sich mit der Kurznachrichten-Plattform auf ein Übernahmegebot von rund 44 Milliarden US-Dollar verständigt. Zur Einordnung: Mit dieser Summe könnte man rund 564 Millionen Meter feinsten Schottischen Tweed kaufen (exkl. Versandkosten), was zwar nicht ganz bis zum Mars reicht, aber doch locker bis zum Mond und noch 16 Mal drumherum (inkl. Mascherl).

Warum sich Herr Musk trotzdem für Twitter entschieden hat, ist derzeit Stoff heftigster Analysen. Dabei liegt der Grund doch sehr nahe: Weil er es kann. Und weil er der Welt sehr gerne zeigt, was er kann. Daraus folgt ein drittes Kaufmotiv: Weil er als Twitter-Alleinerhalter noch lauter zeigen kann, weil ihm dann wirklich niemand mehr dreinredet. Wobei: Hat ja auch bisher keiner gemacht. In der Debatte um seine Twitter-Übernahme spielte Musk wiederholt die Free-Speech-Karte, also die gute alte neoliberale Ansicht, dass jede Meinung, und sei sie noch so hässlich, eine möglichst uneingeschränkte Öffentlichkeit braucht. Wohin diese Ansicht führt, konnte man vor einigen Jahren zum Beispiel auf Twitter beobachten, das ja als Plattform einer durchaus uneingeschränkten Meinungsfreiheit das Wort redete, bis sich das Management eines Besseren besann und gegen Hass, Hetze und Desinformation vorging (übrigens kaum aus ideologischen, sondern in erster Linie aus ökonomischen Gründen: User, Werbetreibende und öffentliche Behörden sind mehrheitlich Fans von Anstand und Moral).

Wie übel Twitter auch sein kann, wie fies und menschenfeindlich, weiß man ja nicht zuletzt seit Donald Trump (wenn man es nicht schon vorher bei Elon Musk gelernt hat). Ersterer wird seinen Account, der ihm nach nicht mehr einzuhegenden Fiesheiten Anfang 2021 gesperrt wurde, wohl bald wieder anwerfen dürfen, weil Zweiterer sich zweifellos sehr öffentlich dafür einsetzen wird. Denn: Twitter sei nun mal ein öffentlicher Raum, ein essenzielles demokratisches Forum, in dem niemand das Wort verboten werden darf (und wenn er noch so gegen die Demokratie selbst agitiert oder, womöglich auf Umwegen, zur Gewalt anregt).

Andererseits: Es ist immer noch eine private Firma. Schon in der Vergangenheit wurde diese von einem exzentrischen kalifornischen Milliardär geführt (nämlich ihrem Gründer und Vollbartträger Jack Dorsey), war dabei aber immerhin auch ihren Aktionären verpflichtet (und operativ über die Jahre ein Verlustgeschäft). Demnächst wird sie also nur mehr den Launen eines kalifornischen Milliardärs unterliegen. In diesem Gedanken steckt eine gewisse Drohung, selbst wenn man nicht einpreist, wie flexibel sich Musk in der Vergangenheit schon in puncto Meinungsfreiheit und Demokratiepolitik geäußert hat. Es wird also wieder getrollt werden. In diesem Sinne übergeben wir das Wort an den Kölner TV-Moderator Jan Böhmermann (Quelle: Twitter): „Hä? Wieso gehört am Ende alles immer reichen Wichsern, die machen können was sie wollen?“

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.