Proteste im Iran: Der Insta-Aufstand
Junge Frauen tanzen auf der Straße ohne Kopftuch. Menschen in U-Bahn-Stationen rufen “Mullah must go”. Ein Video zeigt tausende Protestierende in der Heimatstadt von Mahsa Ahmini. Eine Frau zündet ihr Kopftuch an. Schüsse von Sicherheitskräften, Tränengas und Demonstrant:innen.
Normalerweise schauen die Instagram-Accounts von Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt (u.a.: “Joko & Klaas gegen ProSieben”) anders aus. Seit Mittwochabend haben die deutschen Unterhalter ihre reichweitenstarken Accounts iranischen Aktivistinnen überlassen und alle ihre bisherigen Posts gelöscht. Auf mehr als zwei Millionen Follower bringen es die beiden Accounts zusammen, die nun “für immer” den Aktivistinnen zur Verfügung stehen. Die Frauenrechtsaktivistin Azam Jangravi postet in Zukunft auf dem Konto von Joko Winterscheidt, Sarah Ramani nutzt das Konto von Heufer-Umlauf.
Joko und Klaas nutzten ihre 15 Minuten in der Primetime von Pro7 - die ihnen vom Sender für den Sieg in einer Gameshow zur Verfügung gestellt wurden - um auf die Proteste im Iran aufmerksam zu machen.
Knapp sechs Wochen dauern die Proteste im Iran schon an. Die 22-jährige Iranerin Mahsa Ahmini starb wenige Tage nachdem sie von der Sittenpolizei misshandelt wurde. Ihr Fehlverhalten: Sie hatte das Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen. Tausende Menschen gingen in Aminis Heimatstadt Saghes am Ende der im Iran traditionellen 40 Tage Trauerzeit am Mittwoch auf die Straße.
“Diese Frauen stellen die Systemfrage” - so die Journalistin Golineh Atai in einem profil-Interview vor ein paar Wochen. “Das sind Bilder, die wir so noch nicht gesehen hatten aus dem Iran.”
Das Regime in Teheran versucht seit Wochen, die Proteste mit Gewalt und Verhaftungen zu zerschlagen, und schießt mitunter sogar mit scharfer Munition auf ihre Bürger:innen. Und sie erschwert die Berichterstattung durch Internetkontrollen.
Das Unterbinden von Information ist dem Regime offensichtlich ein Anliegen: Der Iran sanktionierte am Mittwoch die “Deutsche Welle”, die persische Version von “Radio France International”, einige EU-Abgeordnete und die beiden “Bild”-Chefredakteure Johannes Boie und Alexandra Würzbach.
Was die Proteste im Iran nun brauchen, ist unsere Aufmerksamkeit. Und dabei können ein paar Millionen Instagram-Follower:innen helfen.
Sebastian Pumberger