profil-Morgenpost

Putins blaue Freunde

Neuer profil-Podcast: Ein Knicks, ein Freundschaftsvertrag, Krim-Besuche und Chatnachrichten an Jan Marsalek. Wie FPÖ-Politiker über die Jahre zu Putins besten Freunden in Österreich wurden.

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Es ist ein Kniefall, der in der westlichen Welt für Unverständnis sorgt und Österreich in kein gutes Licht rückt. 18. August 2018. Ein heißer Sommertag in der Südsteiermark. Normalerweise wirkt das romantische Städtchen Gamlitz eher verträumt und etwas verschlafen. Heute nicht. Rund 100 äußerst prominente Gäste reisen am Vormittag an, um der Vermählung der damaligen Außenministerin Karin Kneissl beizuwohnen, die auf einem blauen Ticket in der Bundesregierung sitzt. Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und weitere FPÖ-Politiker sind da, Ex-Kanzler Sebastian Kurz von der ÖVP. Und Wladimir Putin.

Es ist bereits Putins zweiter Besuch in Österreich in diesem Jahr. Im Juni 2018 war er zur feierlichen Verlängerung des Gasliefervertrags zwischen der teilstaatlichen OMV und der russischen Gazprom angereist. Dann flog er eigens für Kneissls Hochzeit ein. Er schenkte ihr einen Blumenstrauß und Saphirohrringe. Er tanzte mit ihr – und am Ende knickste sie tief vor einem Mann, der schon zum damaligen Zeitpunkt in weiten Teilen der EU und darüber hinaus in Ungnade gefallen war.

Das hat die FPÖ freilich nie wirklich gestört. Viele Blaue verbindet eine lange, tiefe Freundschaft mit Putins Russland. Auch wenn Kneissl kein offizielles Parteimitglied war, ihr Knicks vor dem Kreml-Chef kann heute getrost als Sinnbild für das enge Verhältnis vieler in der Partei zu Russland gewertet werden. Am Montag startet die nächste Folge des neuen profil-Investigativpodcasts zu Putin und Österreich. Diesmal geht es um die Faszination, die der starke Mann aus Moskau bei vielen im blauen Umfeld auslöst. Karin Kneissl, Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus bis hin zum heutigen FPÖ-Chef Herbert Kickl – das Verhältnis zum Kreml ist auch nach dem Angriff auf die Ukraine ambivalent. Umgekehrt bemüht sich Putins Machtapparat seit mehr als einem Jahrzehnt gezielt um die Gunst und Loyalität rechter Politiker in ganz Europa.

Und manche sind ganz besonders loyal: 2019 sprengte die Ibiza-Affäre die türkis-blaue Regierung, und Karin Kneissl verlor ihren Job. Sie kehrte Österreich den Rücken. Mittlerweile hat sie in Russland nicht nur eine neue Heimat gefunden, sie ist auch ideologisch ganz auf Linie – Kneissl leitet das neu geschaffene G.O.R.K.I.-Zentrum der Universität St. Petersburg. Damit ist Wladimir Putin ein veritabler Coup gelungen. Nach Kriegsbeginn eine hochrangige europäische Politikerin in den Dienst Russlands zu stellen, sorgt für Furore dort und für Kopfschütteln hier.

Aber die russisch-freiheitliche Freundschaft nur an einer Person festzumachen, greift zu kurz. Moskaus Mann bei der FPÖ war lange Zeit Johann Gudenus. Er fädelte auf Ibiza 2017 ein Treffen mit einer vermeintlichen – wie sich später herausstellen wird: falschen – Oligarchennichte ein. Gudenus war oft und gern in Moskau, er spricht Russisch, absolvierte Studienaufenthalte dort, machte Geschäfte in Russland, und er war auch einer der ersten europäischen Politiker, der die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 legitimierte. Zusammen mit Ewald Stadler und Johannes Hübner (FPÖ) reiste er als „unabhängiger Wahlbeobachter“ auf die Krim, um das von Moskau angeordnete Referendum über den Status der ukrainischen Halbinsel zu beobachten. Damals sollte die lokale Bevölkerung über den Anschluss an die Russische Föderation oder den Status des Gebiets von 1992 abstimmen. Dass alles so bleibt, wie es vor der Annexion war, stand nicht einmal zur Wahl.

Anders als die internationale Staatengemeinschaft störte das Gudenus und seine Wahlbeobachter-Kollegen nicht. Auch nicht, dass die Wahlurnen aus Glas waren. Dass es keine Umschläge für die Wahlzettel oder Wahlkabinen gab, in denen die Wähler anonym hätten abstimmen können. Gudenus war dabei, als die FPÖ später einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei „Einiges Russland“ unterzeichnete. Und er lobbyierte auch immer wieder für eine gemeinsame Freihandelszone mit Russland.

Chats und ein Mittelsmann

19. Juni 2020. In den Abendstunden besteigt ein Mann im niederösterreichischen Bad Vöslau ein Flugzeug, der mittlerweile im dringenden Verdacht der Russland-Spionage steht. Jan Marsalek, Vorstand beim deutschen Online-Zahlungsanbieter Wirecard. Der Jet bringt den Österreicher in die belarussische Hauptstadt Minsk, wo Marsalek einfach verschwindet. Mittlerweile ist er Hauptdarsteller der wohl größten Spionageaffäre Österreichs. Über seine Verbindungen in die heimische Politik und seine Dienste für Russland berichten wir ausführlich in den nächsten Folgen unseres Putin-Podcasts. Doch Marsalek dürfte auch interessante Kontakte zu Johann Gudenus gehabt haben, als dieser noch Teil der FPÖ-Familie war.

2017 und 2018 soll der ehemalige Generalsekretär der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG) immer wieder Chatnachrichten von Jan Marsalek an Johann Gudenus weitergeleitet haben – mit höchst brisanten Inhalten. In den Nachrichten ging es unter anderem um Interna aus dem Innenministerium und dem heimischen Verfassungsschutz. „Wenn ich nun zu den Chats gefragt werde, so gebe ich an, dass die Kommunikation zwischen Marsalek und Gudenus aus mir nicht mehr nachvollziehbaren Gründen teilweise über mich gelaufen ist“, sagte Florian Stermann als Zeuge gegenüber der Staatsanwaltschaft im Spionage-Skandal aus.

Laut Stermann sei Marsalek jedenfalls viel daran gelegen gewesen, dass die FPÖ in Regierungsverantwortung ist. Die heutige FPÖ-Führung unter Herbert Kickl wird an diese Verbindungen nur ungern erinnert – alles Schnee von gestern quasi, mit dem die neue FPÖ, die nach der kommenden Wahl im Herbst am liebsten den Bundeskanzler stellen würde, nichts mehr zu tun haben will. Die Haltung zu Russland und dessen blutigen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist aber auch so unmissverständlich: Als der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Vorjahr vor dem österreichischen Parlament sprach und um Unterstützung warb, schwänzten nicht nur einige SPÖ-Abgeordnete die Rede. Die FPÖ-Mandatare boykottierten sie regelrecht und verließen geschlossen den Plenarsaal. Die Fronten sind klar.

Marina  Delcheva

Marina Delcheva

leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".