Morgenpost

Putins Maulwurf in Wien: Der Fall Egisto Ott

Folge 6 des profil-Investigativpodcasts „Putin“ widmet sich dem Spionageskandal um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott – und dessen Kampagne gegen profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer.

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Russische Spione im österreichischen Nachrichtendienst; Agenten, die einer Journalistin auf der Straße folgen; eine Verleumdungskampagne inklusive Lügengeschichten über angebliche Affären: Was klingt wie Handlungselemente aus einem Agententhriller ist tatsächlich geschehen, nämlich in Wien, und nicht etwa zu Zeiten des Kalten Krieges, sondern erst kürzlich, in den vergangenen Jahren. 

Im Podcast „Nicht zu fassen“ befasst sich profil mit den besonderen Beziehungen zwischen Österreich und Russland. Folge 6, die heute erscheint, widmet sich dem Spionageskandal um den ehemaligen Verfassungsschützer Egisto Ott. In der neuen Folge erzählt Thalhammer auch ihre eigenen skurrilen Erfahrungen mit dem ehemaligen Staatsschützer und seinen Freunden.

Polizist, Beamter – und Putins Spion?

Egisto Ott, geboren 1962 in Kärnten, ist ein Mann mit vielen Eigenschaften. Er war Polizist in einer Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung, Beamter im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – und mutmaßlich Spion für Russland in Österreich. 

Die Liste der Vorwürfe gegen Ott ist lang. Angeklagt ist er nun, weil er im November 2018 versucht haben soll, im Auftrag des FPÖ-Politikers Hans-Jörg Jenewein Informationen über die Teilnehmer eines Treffens europäischer Nachrichtendienste zu beschaffen. Mutmaßlich ging es darum, die Namen der teilnehmenden Mitarbeiter des mittlerweile aufgelösten BVT herauszufinden. Im BVT ließ der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) Anfang 2018 eine Razzia durchführen. Die Partnerdienste im Ausland waren entsetzt, der Schaden für Österreich war enorm. 

Im Mai 2019 soll Ott die Namen der BVT-Mitarbeiter dann an Jenewein übergeben haben, im Juli soll er einen Beamten aufgefordert haben, ihm jene Kollegen zu nennen, die in der Causa „Ibiza“ gegen die FPÖ ermittelten.

Daten für den Kreml

Doch damit nicht genug. Ott wird auch vorgeworfen, den Kreml-kritischen Journalisten Christo Grozev ausgespäht und Smartphones von Spitzenbeamten an russische Agenten übergeben zu haben. 

Aufgeflogen ist Otts vermeintliche Spionage für Russland im Jahr 2017, seither ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn. 

profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer war damals noch Chefreporterin bei der „Presse“ und berichtete ausführlich – auch über den BVT-Skandal und über Egisto Ott. Das gefiel vielen nicht, allen voran Ott. Also ging er zum Gegenangriff über. Der Verfassungsschützer nutzte seine Kontakte in der österreichischen Parteienlandschaft für eine Verleumdungskampagne gegen Thalhammer. 

Während des U-Ausschusses zum BVT-Skandal flüsterte er Jenewein Informationen zu – auch Lügen über Thalhammer, darunter höchst Privates. 

Das Ziel: Thalhammers Berichterstattung als möglichst unglaubwürdig darzustellen. Wie sich später herausstellte, wurde Thalhammer damals auch auf der Straße auf ihrem Weg zur Arbeit verfolgt – von russischen Agenten, die ihr gern das Handy abgenommen hätten.

Die lange Liebe zwischen Moskau und Wien

Dass Egisto Ott im Juni aus der U-Haft entlassen wurde, versteht außerhalb Österreichs niemand. Die Angelegenheit schadet dem Ansehen Wiens einmal mehr, denn Österreichs Ruf ist ohnehin schon arg ramponiert. Die jahrelangen guten Beziehungen mit Moskau  stoßen nicht überall auf Verständnis.

Wer die lange Liebe zwischen Wien und Moskau verstehen will, hört am besten alle sechs Folgen des Investigativ-Podcasts „Putin“ – weitere erscheinen jeden Montag. Anna Thalhammer und profil-Investigativreporter Stefan Melichar sprechen darin über die Beziehungen zwischen russischen und österreichischen Politikern, Sportlegenden und Oligarchen, über die Verbindungen zwischen Putin und der FPÖ, über die Rolle der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft und die Spionageaffäre um den flüchtigen Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek. 

Bleiben Sie also dran. Das letzte Kapitel in diesem Thriller ist noch nicht geschrieben. 

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.