Auf einer Tafel steht das eingeringelte Wort Islam, im Hintergrund zeigt eine Person mit Kopftuch gerade auf.
Morgenpost

Ramadan-Fasten an Schulen: Viel Emotion, wenig Fakten

Immer jüngere Schülerinnen und Schüler sollen zu Ramadan fasten. Zahlen, die das bestätigen würden, gibt es keine, trotzdem wird die Debatte hitzig geführt.

Drucken

Schriftgröße

Vom 1. bis zum 29. März fasten Muslime 2025 während des ihnen heiligen Monats Ramadan. Am 30. März feiern sie dann Eid, auch Zuckerfest genannt, das das Ende des Fastens markiert.

Zeitlich ähnelt der Ramadan der christlichen Fastenzeit, beim Fasten gibt es allerdings wesentliche Unterschiede: Während viele Christen auf Fleisch, Alkohol oder Zucker verzichten, bedeutet das Fasten für Muslime, dass sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder essen noch trinken dürfen. Auch Rauchen oder Geschlechtsverkehr sind in dieser Zeit untersagt. Das tägliche Fastenbrechen, das „Iftar“ genannt wird, beginnt mit dem Sonnenuntergang. Traditionell wird es mit einer Dattel und einem Gebet eröffnet.

Ramadan im Klassenzimmer

Laut der Bildungsdirektion hatten 2023 rund 35 Prozent der Wiener Volksschulkinder ein islamisches Religionsbekenntnis – 36 Prozent waren christlich, 26 ohne Bekenntnis. 

Immer mehr Volksschulkinder sind muslimisch, immer mehr Volksschulkinder verwenden Social-Media-Apps wie TikTok.

Im neuen profil beschreibt Journalist Stefan Kaltenbrunner die Tricks sogenannter „Influencer Preacher“, also islamistischer Prediger auf TikTok, die vor allem bei sehr jungen Menschen immer beliebter sind: „In kurzen Videos erklären die Prediger den Jugendlichen, was verboten (haram) und was erlaubt (halal) ist. Während des Ramadans listen sie täglich Dutzende Regeln auf, wie richtig gefastet wird.“ Seinen ganzen Artikel lesen können Sie hier nachlesen.

Österreichische Medien veröffentlichen seit Beginn der Fastenzeit Berichte über die Rolle des Ramadans im Klassenzimmer. In vielen dieser Medienberichte werden Lehrerinnen und Lehre, sowie Direktorinnen und Direktoren interviewt. Der Grundtenor dieser Berichterstattung: Fastende Kinder werden immer jünger, stören immer mehr im Unterricht, können sich immer weniger konzentrieren und kippen im Klassenzimmer um. Wie viel ist an diesen Aussagen dran?

In einem Videobericht sagt eine Wiener Direktorin zum Beispiel: „Irgendwann sitzen sie dann nur da und schauen. Teilweise legen sie sich auch auf den Boden und bewegen sich nicht.“

Statistiken darüber, wie viele Muslime in Österreich fasten, wie alt fastende Schülerinnen und Schüler sind oder wie viele von ihnen Schwächeanfälle während des Fastens haben, gibt es allerdings keine. Man verlässt sich in diesem Diskurs auf Erfahrungsberichte einzelner Personen. Umso heftiger sind daher auch die teils islamophoben Aussagen in den Kommentarspalten der Medienberichte. Fastende Kinder werden für manche User offenbar ohne Empirie zur Bedrohung.

Wofür es allerdings Statistiken gibt, ist, wie präsent antimuslimischer Rassismus in Europa ist. Laut der Gleichbehandlungsanwaltschaft gaben 2023 in einer Studie 78 Prozent der befragten muslimischen Deutschen an, bereits Diskriminierungserfahrungen und Übergriffe erlebt zu haben. Europaweit machen muslimische Menschen am häufigsten Diskriminierungserfahrungen in der Arbeitswelt, im Bildungswesen, auf dem Wohnungsmarkt und bei der Gesundheitsversorgung. Auch in Österreich werden muslimisch gelesene Personen in den meisten Lebensbereichen diskriminiert.

Fehlendes Know-how bei Lehrpersonal?

Über 700.000 Muslime leben in Österreich – das sind fast acht Prozent der österreichischen Bevölkerung. Viele von ihnen fasten zu Ramadan. Der Islam, so wie auch der Ramadan, gehören schon lange zu Österreich. Warum wird der Fastenmonat trotzdem derart exotisiert? Sollten Lehrerkräfte besser darauf vorbereitet sein, wenn Schüler:innen fasten?

„Ich verstehe schon, dass es für Lehrpersonen, die jetzt nicht damit aufgewachsen sind, eine Umstellung ist. Aber wenn etwas unbekannt ist, dann kann man nachfragen oder Interesse zeigen. Und wenn man besorgt ist, kann man ein Gespräch auf Augenhöhe suchen“, meinte Deutsch-als-Zweitsprache-Lehrer und Logopäde Ali Dönmez in einem profil-Interview.

Auf seinem Instagram-Account kritisierte Dönmez, dass sich Lehrpersonal in den vergangenen Tagen derart negativ über den Ramadan äußerte: „Diese Debatte zeigt mir ganz klar, dass viele Lehrpersonen dringend pädagogische, interreligiöse und vor allem antirassistische Fortbildungen brauchen.“

Kinderfasten als Alternative

Tatsächlich ist es aber so, dass die meisten Schülerinnen und Schüler gar nicht fasten müssen. Vom Fasten ausgenommen sind all jene, bei denen ein Verzicht auf Nahrung und Trinken gesundheitsschädigende Folgen hätte – also Schwangere, Menstruierende, Kinder, Kranke oder stillende Mütter.

Laut dem Koran dürfen Muslime dann mitfasten, wenn sie mündig, also in der körperlichen Verfassung dafür sind. Und ab da wird es etwas kompliziert: Ab welchem Alter darf man denn mitfasten?

Im Ramadan-Leitfaden der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) 2025 steht, dass diese Entscheidung den Erziehungsberechtigten offensteht. Trotzdem gibt es Kinder, die bei ihren Eltern, älteren Geschwistern oder auf TikTok beobachten, wie diese von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts essen und trinken – und dann selbst mitfasten möchten.

Im IGGÖ-Leitfaden werden daher unter anderem alternative Fastenmöglichkeiten für Kinder vorgestellt. Zum Beispiel: keine Süßigkeiten bis zur Abenddämmerung oder Fasten nur bis zur Mittagszeit – Vorsätze, die man auch abseits der muslimischen Community kennt.

Natalia Anders

Natalia Anders

ist seit Juni 2023 Teil des Online-Ressorts und für Social Media zuständig.