Morgenpost

Gesucht: Wachstumshilfen. Was tut die Regierung für die Industrie?

Die Dreierkoalition begab sich auf Klausur und heckte ein derzeit nicht finanzierbares Wirtschaftsstandortrettungsprogramm aus.

Drucken

Schriftgröße

Beinahe hätte es Dienstag zum ersten Mal seit der Angelobung der neuen Bundesregierung so richtig gekracht. Im Kongress-Saal des Kanzleramts soll die Regierungsspitze um 15 Uhr eine Pressekonferenz zum Ergebnis der halbtägigen Arbeitsklausur (Thema: Wirtschaftsstandort Österreich) abhalten. Kraftvoll öffnet Kanzler Christian Stocker die große Flügeltür und betritt den Saal. Die Kanzler-Kraft wandelt sich um in kinetische Energie, die wiederum die Tür aus einer Angel springen lässt. Viel fehlt nicht und die schwere Platte wäre Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger auf den Kopf gefallen. Doch die Tür bleibt schief, aber doch hängen und die Pressekonferenz beginnt wie geplant.

Beschlossen wurde in der Klausur nichts, aber Politik besteht auch aus Absichtserklärungen, und mehr darf man von einer Regierung nach so kurzer Zeit wohl nicht erwarten. Die Aufgabe ist denkbar schwierig: Kanzler Stocker (ÖVP), Vizekanzler Babler (SPÖ) und Außenministerin Meinl-Reisinger (Neos) suchen nach Wachstumsmitteln für die marode Wirtschaft. Die Lage wird in den kommenden Monaten kaum besser, wie die Wirtschaftsforscher Gabriel Felbermayr und Holger Bonin der Regierung zu Beginn der Klausur vorrechnen. Kein Wachstum und – angesichts des Budgetdefizits – kein Geld, um Wachstum zu generieren, ergeben eine toxische Konstellation.

Kost' fast nix

Strategien haben den Vorteil, langfristig zu wirken und in der Gegenwart fast nichts zu kosten. Eine solche will die Regierung bis Jahresende zum Industriestandort Österreich vorlegen, mit Fokus auf Wirtschaftssektoren mit Zukunftspotenzial und Schlüsseltechnologien. Weiters sind geplant: geringere Energiekosten; Bürokratieabbau; aktive Arbeitsmarktpolitik; Fachkräfte-Anwerbung; die Senkung der Lohnnebenkosten. Die schwarz-rot-pinke Strategie klingt wie ein Lied aus uralten Zeiten – und ist doch Zukunftsmusik. Die Industrie muss warten und hoffen. Das bisschen Geld, über das die Regierung derzeit verfügt, soll in die Stärkung der kleinen und mittleren Unternehmen, in den Bildungsbereich und in Arbeitsmarktoffensiven fließen.

Abseits ihrer vorbereiteten Statements zur Standortpolitik nützen Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger die Pressekonferenz zur freien Rede. Der SPÖ-Vorsitzende kündigt an, nach dem Mietpreis-Stopp im geregelten Bereich (Altbau-, Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen) auch die Mieten im ungeregelten Sektor regulieren zu wollen. Auf die Stellungnahme des Deregulierungsstaatssekretärs Sepp Schellhorn (Neos) darf man gespannt sein. Beate Meinl-Reisinger bekennt, nun auch für ein Handy-Verbot an Schulen zu sein. Sie sei in dieser Frage „vom Saulus zum Paulus oder umgekehrt“ geworden. „Von Saula zu Paula oder umgekehrt“ wäre sprachsensibler gewesen.

Der coolste Satz des Nachmittags kommt von Babler, als er zum Industriestandort meint: „Österreich muss vom strong Innovator zum Innovation Leader werden.“ Luzider hätte es der Generalsekretär der Industriellenvereinigung auch nicht formulieren können.

Gernot Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und seit 2025 Leiter des Innenpolitik-Ressorts. Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl.