Regierungsbildung: Heureka Bankenabgabe, heureka Koalition
Der erste Anlauf zur Koalition aus ÖVP und SPÖ scheiterte am Streit um die Bankenabgabe. Im zweiten Anlauf macht die Bankenabgabe den Weg frei. Das ist die zugegeben extrem verkürzte Zusammenfassung der vergangenen vier Monate.
Sollten die Kreditinstitute nun tatsächlich 350 Millionen Euro jährlich zur Budgetsanierung beitragen – und nicht die ursprünglich geplanten 150 Millionen (wie „Der Standard“ berichtet), dann spricht viel dafür, dass hier aus einem „No-Go“ ein entscheidendes „Go“ für die sogenannte „GroKo“ wurde - die Große Koalition aus ÖVP und SPÖ.
Nach acht Jahren Unterbrechung durch diverse politische Farbexperimente wird der rot-weiß-rote Urzustand wieder hergestellt, möglicherweise mit einem pinken Klecks. ÖVP und SPÖ einigten sich, die Neos als Mehrheitssicherer wieder an Bord zu holen und diesen dafür Ministerien zu überlassen. Freitagvormittag tagte dazu der Neos-Parteivorstand. Danach soll Bundespräsident über den Stand der Dreier-Gespräche informiert werden.
Weil Donnerstagabend fast alle Signale auf grün standen, tauschten wir die Coverstory auf den letzten Metern vor Druck. Aus einem Insight über „Die neuen Terroristen“, die sich, wie der Attentäter von Villach, blitzartig übers Handy radikalisieren, wurde ein - auf eine Person zugespitztes - Cover zur Regierungsbildung.
Anteil am Gelingen der ÖVP-SPÖ-Koalition hat auch Herbert Kickl. Denn der FPÖ-Obmann ist der Hauptgrund, warum ein gordischer Knoten wie die Bankenabgabe durchtrennt werden konnte. Wir erinnern uns an den vehementen Widerstand des ÖVP-Wirtschaftsflügels gegen die als „marxistisch“ gebrandmarkten Pläne von SPÖ-Chef Andreas Babler, das Budget auch durch Hilfe der „breiten Schultern“ (also Vermögenderen) zu sanieren.
Doch kein Marxist
Es scheint alles vergessen. Warum? Weil der Ausflug der ÖVP in Koalitionsverhandlungen mit der - des Marxismus' unverdächtigen, aber in anderen Punkten offenbar zu radikalen - FPÖ dazu führte, dass selbst Wirtschaftsbündler in Babler neuerdings einen gemäßigten Zeitgenossen sehen. GroKo-Spirit eben.
In dieser gelösten Grundstimmung werden in den Stunden nach Erscheinen dieser Morgenpost wohl auch jene letzten Brocken auf die Seite geräumt werden, die zwischen FPÖ und ÖVP noch unüberwindbar waren. Es geht um Posten. Wieder sehr verkürzt: FPÖ-ÖVP scheiterte am blauen Anspruch auf den Innenminister. Kickl verzichtete dafür auf die historische Chance eines blauen Bundeskanzlers und blauen Finanzministers.
Kickl als Reanimator
Stattdessen hat der FPÖ-Chef die mittlerweile auf ein Mandat Überhang geschrumpfte GroKo durch seinen Rückzieher wiederbelebt. Und er hat sich selbst und seine Partei zu Zuschauern beim schwarz-roten Postenkarussell degradiert, das nun einen SPÖ-Vertreter zum Finanzminister befördert, wie von Chefredakteurin Anna Thalhammer in ihrem täglichen Newsletter angekündigt. Wie geht es eigentlich dem Fast-Finanzminister der FPÖ, Ex-ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer damit?
Neben Finanzen soll die SPÖ Infrastruktur und Soziales bekommen. Während Niederösterreichs Landeschef Sven Hergovich klarer Favorit für das Infrastrukturministerium ist, und ÖGB-Vize Korinna Schumann für das Sozialressort gesetzt sein soll, gibt es bei den Finanzen dem Vernehmen nach noch zwei Kandidaten. Da ist einerseits die AK und ÖGB entstammende Managerin, Silvia Angelo, andererseits der ebenfalls vorab von Thalhammer genewsletterte frühere ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.
Keine Experimente mehr
Der ÖVP könnten neben dem Kanzleramt unter anderem die Bereiche Inneres, Verteidigung und Landwirtschaft bleiben, die jeweils mit den bisherigen Ressortchefs besetzt werden würden.
Beide Sicherheitsressorts in einer Parteihand: Das hat einen Preis. Es könnte das Außenministerium für die SPÖ sein. Dafür könnten jedoch die EU-Agenden im schwarzen Kanzleramt bleiben – möglicherweise unter Interims-Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP).
In einer Koalition mit der FPÖ hätte die ÖVP die EU-Agenden ins Außenministerium holen wollen, um Europa zu beweisen, dass Österreich nicht zu sehr Richtung Ungarn und Russland abbiegt.
Doch jetzt ist das nicht mehr nötig. In guter alter GroKo-Tradition heißt es: keine Experimente mehr.