Morgenpost

René Benko: Das Master of the Universe-Märchen

Ösigarch, Wunderwuzzi, Austro-Trump, Immo-Midas: René Benko zog die Superlative nur so an sich. Jetzt befindet sich sein Milliardenimperium in einem äußerst gefährlichen Zustand.

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An sich ist ja ein Schulscheitern oftmals die beste Voraussetzung für eine Weltkarriere – siehe Winston Churchill, Franz Kafka, Niki Lauda (der sein Maturazeugnis bekanntlich fälschte) oder Abraham Lincoln. Tatsächlich schien sich auch René Benko in dieser illustren Reihe einzuordnen. Verließ der 46jährige Innsbrucker doch schon mit 17 die Handelsakademie in Innsbruck, weil er es vorgezog wegen einer zu hohen Fehlstundenanzahl, die Matura besser zu lassen. Angeblich durchlief er in den 1990er Jahren Schulungen beim deutschen Finanzdienstleister ADW. Die dürften nach oben offen gewesen sein, denn der jetzige Zustand seines Wunderwuzzi-Imperiums lässt bei vielen Großinvestoren, stillen und lauten Teilhabern sowie den Herrschaften der kreditvergebenden Banken gröbere Spannungsgeladenheit aufkommen.

Über die Details, Verzweigungen und großflächigen Konsequenzen des bröckelnden Milliarden-Imperiums wird Sie laufend online und in der kommenden Print-Ausgabe unsere Wirtschaftsredaktion in gewohnter Sorgfalt aufklären. Grosso modo konnte Benko, der bei seinen seltenen öffentlichen Auftritten die Aura eines pfiffigen Musterschülers verströmt, das fröhliche Monopoly-Spiel (mit Immo-Trophäen wie dem Palazzo-Hotel Bauer in Venedig und dem Chrysler Building in New York), das auf dem Prinzip alte Schulden mit neuen zu bedienen, basierte, nicht mehr aufrecht halten. Die Pandemie-Nachwehen durch erhöhte Bankzinsen und die Baukrise brachten das Gebälk zusätzlich zum Knirschen. Benko habe ständig „Märchen erzählt”, wird ein namentlich nicht genannter Investor im „Spiegel” zitiert; ein anderer verriet, dass Benko über eine außerordentliche Begabung verfüge, jedem das zu erzählen, „was der gerade hören” wolle.

Tatsächlich scheint Benko durch jenen Treibstoff am Rotieren gehalten worden sein, der Macht- und Geldmenschen seit jeher am Laufen hält: eine Kombination aus Hybris und unstillbarer Gier. Es gibt nur eine verlässliche Droge und die heißt „mehr”. Das Adrenalin musste beständig Blasen schlagen. Erstmals wurde der Begriff Hybris in altgriechischen Tragödien verwendet und bezeichnete das Verhalten von Protagonisten, die sich den göttlichen Befehlen und Gesetzen widersetzten. Die Götter als oberste Instanz wurden spätestens mit dem Zeitalter der Aufklärung durch Moral, Vernunft und Verfassung ersetzt. Während in der antiken Dramatik Selbstüberschätzung ausnahmslos mit dem totalen Untergang bestraft wird, lief und läuft das in Gegenwart oft anders. Zumindest für eine ziemlich lange Zeit.

Benko, der nahezu nie Interviews in Aussicht stellt und wenn er das doch tut, die Termine, bis zur endgültigen Absage, gerne mehrfach verschiebt, scheint aus der Ferne betrachtet wie ein Protagonist aus dem legendären 1980-er Roman von Tom Wolfe. In „Fegefeuer der Eitelkeiten”, einem monumentalen Abgesang auf die Yuppie-Ära und die damals florierende Zockermentalität von Investoren und Börsenmaklern, benutzt Wolfe für Typen vom Schlage eines Benko den Terminus „master of the universe”. Wie dieses Master-of-the-Universe-Märchen weiter gehen wird, hat in jedem Fall Thrillerqualitäten, die bei einigen für schlaflose Nächte sorgen werden.

Vielleicht sollte man der Species der Universen-Meister noch folgenden Satz von Tom Wolfe als Reiseproviant mitgeben: „Mit einer Lüge kannst du andere für eine Weile eventuell ruhig stellen, aber jede Lüge erzählt dir selbst auch eine schlichte Wahrheit: du bist verwundbar.”

Bleiben Sie stabil und freuen Sie sich auf den 18. November, denn da erscheint profil das erste Mal in seiner mehr als 50jährigen Geschichte am Samstag und das wird auch so bleiben. Wir wollen Ihnen einfach in Zukunft das Wochenende noch aufregender, informativer und unterhaltsamer gestalten.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort