Morgenpost

Schwarz-Rot: Die Schlacht um die Kuchenstücke hat begonnen

ÖVP und SPÖ spielen das lustige Ministerien-Mikado. Bisher hat man sich dabei zumindest nicht gegenseitig die Augen ausgestochen. Manche üben schon für ihre erste Rede als MinisterIn.

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Es wird mir ja oft nahegelegt mehr gute Nachrichten zu verbreiten. Angeblich wollen die Menschen das; angeblich würde das gegen das Nachrichtenvermeidungsverhalten helfen. Das sagt zumindest die Medienforschung. Forschung gut und schön, ich bin dennoch der Meinung, dass unsere Aufgabe in erster Linie der kritische Journalismus ist – zugegeben, der ist oft defizitorientiert. Falls ich Ihnen in der Vergangenheit ab und zu die Laune verdorben habe, dann tut mir das leid. Darum, bitte sehr, eine positive Verkündung: Es schaut so aus, als stünden die längsten Regierungsverhandlungen der Zweiten Republik tatsächlich vor dem Abschluss – das unwürdige Schauspiel scheint in keine vierte Runde zu gehen.

Das Budget dürfte bis auf Kleinigkeiten unter Dach und Fach sein – das war der größte Brocken. Auch beim heiklen Thema Asyl, wo die ÖVP zuletzt eine harte Gangart verlangte, konnte weitgehend Einigkeit hergestellt werden. Die Verhandlungen sollen abgeschlossen sein. Jetzt kommt noch das lustige Ministerien-Mikado, das bei Blau-Schwarz am Anfang stand und schließlich zum Bruch geführt hat. Es ist ein taktisch schwieriges Spiel mit Begehrlichkeitsfallen, folgt aber einer gewissen Logik. Die dürfte auch dieses Mal eingehalten werden. 

Geld versus Menschen

Also, das geht so: Es gibt gewisse Ministerien, die gelten als mächtig, als Schlüsselministerien. Das wichtigste von allen ist wohl das Finanzministerium, dort liegt das Geld und damit wird die Arbeit der anderen Ressorts gesteuert. 12.000 Beamte gehören zu diesem Ministerium, hunderte kontrollieren die Ausgaben des Staates – gerade in Zeiten eines massiven Budgetlochs liegt hier die Power. Das Spiegelministerium dazu ist das Beamtenministerium – dort muss jedes Ressort um gewünschte Posten ansuchen, die sogenannten Planstellen. Wer das eine Ministerium hat, bekommt normalerweise das andere nicht. Kurz gesagt: Die einen bekommen üblicherweise das Geld, die anderen die Leute.

Die SPÖ wollte das Finanzministerium – und was man so hört, lässt sich die ÖVP darauf ein. Aber eine Bedingung soll die Volkspartei haben: Man will die ÖBAG, die Staatsholding, herauslösen. 

Das resultiert aus einer weiteren Logik: Die SPÖ möchte auch das mächtige Infrastrukturministerium (ohne Energie, die soll eher zur Wirtschaft, zur ÖVP) – das ist ideologisch wenig umstritten, hat aber viele Ressourcen sowie Geld – und wacht ebenfalls über Staatsbeteiligungen wie die ÖBB. Würde die SPÖ also beide Ministerien bekommen (wonach es ausschaut), wären alle Staatsbeteiligungen in einer Hand – und zwar einer roten. Das geht eher nicht. 

Und weil das Spiel so lustig ist, erweitere ich es um die Variante Namedropping. Man vernimmt, SPÖ-Chef Andreas Babler wäre gerne Vizekanzler und hätte als Hausmacht gerne das Infrastrukturministerium. Aber auch der niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich wird für diesen Posten gehandelt – er ist Volkswirt, hat Management-Erfahrung und ist damit wohl qualifiziert. Am Ende sticht wohl der Ober den Unter, für Hergovich findet sich bestimmt auch etwas anderes, wenn der Chef darauf besteht. Vielleicht begnügt sich Babler aber auch wie viele Vizekanzler vor ihm mit schöneren Themen wie Kunst, Kultur und Sport. In welches Ressort die derzeit zum Infrastrukturministerium gehörenden Klima-Agenden kommen, ist noch unklar.

Für die Finanz gibt es neben der Idee eines „unabhängigen Experten“, die noch nicht ganz vom Tisch ist, drei Kandidaten: Jan Krainer, der langjährige Finanzsprecher der SPÖ. Er ist im Klub nicht unumstritten, gilt als schwieriger Charakter. „Schwierig“ ist ein gemeines Wort, aber wer Krainer auch als Fraktionsführer im U-Ausschuss erlebt hat, weiß: Der Mann scheut keinen Konflikt – auch mit den eigenen Leuten nicht. Freilich, das kann anstrengend sein. Christoph Matznetter ist der zweite Name, der bereits kursiert – er war in ferner Vergangenheit (2007 bis 2008) einmal Staatssekretär für Finanzen. Als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater kann er jedenfalls gut rechnen, ein Vorteil in dem Job und eine Qualifikation, die einige vor ihm offenbar nicht mitbrachten. Die Wiener SPÖ bringt Ex-ORF-Direktor Alexander Wrabetz ins Spiel.

Weitere Ressorts, die klassischerweise der SPÖ zufallen würden: Soziales, Arbeit, Gesundheit, Bildung, Frauen, Jugend. Für das Ressort Soziales wird immer wieder die Abgeordnete Korinna Schumann genannt. Sie ist Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Bundesrat, entsendet von Wien. Apropos Wien: Da stellt sich die Frage, ob auch die mächtige Doris Bures ministrabel wäre. Von Erfahrung und Qualifikation klar – ob sie will, ist eine andere Frage. Vielleicht doch lieber Bundespräsidentschaftskandidatin bei der nächsten Wahl?

Die Inneren Werte zählen

Springen wir zur ÖVP: Die hockt noch immer auf ihrem geliebten Innenministerium und es scheint, als würde man dafür sogar die Finanzen der SPÖ überlassen. Einer „linken“ Partei das Sicherheitsministerium zu übergeben, befindet so mancher Schwarzer als „absurd“. Nicht, dass die SPÖ dafür besonders gekämpft hätte – zynisch gesagt haben sie eh niemanden, den sie dort hinsetzen könnten. Außerdem: Wer Innenminister ist, der kämpft politisch mit der FPÖ – was für die ÖVP bisher nicht so gut gelaufen ist, wenn man die Wählerstromanalysen anschaut. Man hätte die Strategie auch ändern und die mühsamen Asylthemen einmal jemand anderem überlassen können. Davon abgesehen: Vielleicht brächte ein SPÖ-Innenminister Wind und Reformwillen? (Ich weiß schon, wer mich morgen anruft und mir erklärt, warum ich mit dieser Annahme komplett falsch liege – falls diese Person es nicht tut, rufe ich an und werde fragen, warum der Newsletter offenbar nicht abonniert wurde. Verzeihen Sie mir diesen Test.)

Kommen wir zur nächsten Ressortlogik: Historisch gesehen war es üblich, dass die beiden Sicherheitsressorts (Innen und Verteidigung) auf die beiden Koalitionsparteien aufgeteilt werden – zumindest, wenn der Wahlergebnisabstand nicht allzu groß war (wie zuletzt bei den Grünen und der ÖVP, da erhielt der große Partner schließlich beide).

Auch wenn die ÖVP weiterhin gerne beide Ministerien hätte, es schaut so aus, als würde sich die SPÖ auch noch Verteidigung erkämpfen können. Heißt für das Postenkarussell: Der jetzige Innenminister Gerhard Karner kann sich mit der aktuellen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner um den Job raufen. Es würde diesen Newsletter sprengen, wenn ich anfange zu erklären, welcher Logik das nun wieder folgt – nämlich einer von aktuellen Machtkämpfen zwischen ÖVP-Bünden in Niederösterreich. 

Eine Frau und ein Mann geben eine Pressekonferenz

In aller Kürze: Der Bauernbund hatte zuletzt versucht, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (NÖ-Arbeitnehmerbund) abzumontieren – der Putsch flog in letzter Sekunde auf und Mikl-Leitner schlug ihre Widersacher in brutaler wie atemberaubender Art und Weise nieder. Ich muss Ihnen dazu einmal extra berichten, weil das eine wirklich faszinierende Geschichte ist. Aber: Klaudia Tanner gehört dem Bauernbund an, Karner dem Bund von Mikl-Leitner. Sollten Sie nun glauben, dass dies bedeutet, dass Karner die besseren Chancen auf den Job hat, dann irren Sie. Mikl-Leitner will Tanner lieber nicht als Widersacherin in ihrem Reich – und sieht sie darum im Bund. Karner, der seinen Job aus ÖVP-Sicht gut gemacht hat, wird sicher nicht übrigbleiben, aber muss das Innenministerium vielleicht räumen. Bleibt die Frage, wer VerteidigungsministerIn bei der SPÖ werden könnte? Ich sage es Ihnen, wie es ist: keine Ahnung. Ab und zu fällt der Name Alexandra Schrefler-König. Sie war zuletzt Büroleiterin von Doris Bures – davor bei Hans Peter Doskozil, als der Verteidigungsminister war.

Schlagabtäusche

Bleibt für die ÖVP: Wirtschaft, Außen, EU, eventuell Medien, Familie, vielleicht Wissenschaft, Kunst und Kultur, die Beamten, Landwirtschaft und freilich der Kanzler. Den Großteil der Jobs wird man wohl mit der aktuellen Riege besetzen – den ein oder anderen Youngster vielleicht noch aus dem Hut zaubern. Gut wäre es jedenfalls, beim aufzubauenden Nachwuchs tut sich nicht gerade viel.

Hätten Sie sich vor ein paar Wochen wirklich gedacht, dass der nächste Kanzler vielleicht Christian Stocker heißt? Mit einem Vize, der Babler heißt. Machtzentrum Niederösterreich quasi. Morgen schreiben wir dazu etwas im aktuellen profil (das Sie ja bestimmt schon abonniert haben, weil Sie erkannt haben, wie wichtig Qualitätsjournalismus ist und das unterstützen wollen). 

Nun ist nicht aller Tage Abend – die Aufteilung wird auch in den Details spannend. Ministerien können auseinandergedröselt und neu zusammengebaut oder Staatssekretäre dem Koalitionspartner hineingesetzt werden. Es gibt viele Möglichkeiten. Eines muss dazu aber gesagt werden: Der Staat hat großen Spardruck. Strukturelle Veränderungen kosten immer Geld – viel Geld. Davon abgesehen hat es auch nichts mit Effizienz zu tun, wenn gerade gut eingespielte Abteilungen alle paar Jahre einen neuen Chef bekommen, der mal wieder alles verändert, nur damit er es verändert. Nachhaltige, gute Veränderungen bedeuten auch Konsequenz und Kontinuität in der Umsetzung statt Aktionismus und erratischer Aktionen. Vielleicht denken die künftig Handelnden auch daran, wenn sie auf dem Papier neue Organigramme zeichnen.

Ach ja, da habe ich ein Ministerium übrigens vergessen, ein wichtiges: Die Justiz. Die war in den vergangenen Jahren wegen clamorosen Strafrechtsfällen häufig im Fokus – etliche Verfahren laufen noch. Auch deswegen ist es schwierig, das Ressort nur einer Partei zu geben. Wenn hier Politik gemacht wird, wird es schwierig. Nicht zu vergessen: Es ist das Ressort, in dem Gesellschaft federführend gestaltet wird. Alles, was wir tun (dürfen), basiert auf Gesetzen. Es ist sorgsam damit umzugehen. Es gibt gute Gründe, warum das Ressort historisch meistens mit unabhängigen Ministern besetzt wurde – diese gute alte Tradition will man offenbar wieder aufleben lassen. Babler soll immer wieder Allüren haben, doch das Justizressort zu fordern – seine Kandidatinnen dafür sollen entweder Ex-Staatssekretärin Muna Duzdar oder die Tiroler Abgeordnete Selma Yildirim sein. Das hält man aber selbst in den eigenen Reihen für keine gute – und in der ÖVP für eine besonders schlechte – Idee, hat aber auch keine zündende, wer das sonst besetzen könnte. Dazu zirkulierte am Mittwoch auch noch die Variante, dass die Neos eventuell doch noch mit ins schwarz-rote Regierungsboot kommen sollten und ein oder zwei Ministerien erhalten könnten. Für Justiz wurde der Name Stefanie Krisper genannt (das macht die ÖVP sicher nicht), abseits davon auch das Bildungsministerium. 

Noch ist nichts endgültig entschieden, aber so hat es gestern zumindest ausgesehen. Ein paar Schlagabtäusche auf den letzten Metern wird es sicher noch geben – falls dort nicht doch wieder alles platzt. Aber dieses Mal glaube ich es wirklich nicht. 

In eigener Sache

Sind Sie jetzt besser gelaunt? Wenn ja, muss ich gestehen, dass ich irgendwie auch hoffe, dass Sie am Ende dieses Newsletters auch ein wenig traurig sind. Es wird vorerst mein letzter sein – und ich hoffe, dass Sie mich ein bisschen vermissen werden. Ich Sie schon. Für immer sind Sie mich aber eh nicht los, ich melde mich nur für zwei Wochen ab. Und wenn Sie sich jetzt denken: Was ist das für eine Chefredakteurin, die auf Urlaub geht, wenn doch bald eine neue Regierung ansteht – ja, eh, da haben Sie völlig recht.

Aber wissen Sie, ich bin schon ein Mensch, der versucht mitzudenken und zu planen. Und als ich das geplant habe, bin ich fix davon ausgegangen, dass wir heute eine Regierung haben. Ja, sogar eine eigene Urlaubsplanungssitzung haben wir dazu gemacht. Wer konnte denn damit rechnen, dass dies die längsten Koalitionsverhandlungen in der Geschichte der Zweiten Republik werden? Außerdem ist das World Wide Web, Gott sei Dank, weltweit. Auch unter der Palme, unter der ich dann hoffentlich liege – vielleicht schreibe ich Ihnen von dort. 

Davon abgesehen habe ich freilich die beste Urlaubsvertretung und darf Ihnen da auch gleich noch ein paar interne Breaking News mitgeben: Eva Linsinger verlässt das profil gen ORF, wie Sie vielleicht in anderen Medien gelesen haben, drei Wochen ist sie noch hier und beehrt uns.

Gernot Bauer

Ihr folgt mein langjähriger Kollege Gernot Bauer als Chef der Innenpolitik nach. Wissen Sie eigentlich, dass ich mit ihm meine erste große Story geschrieben habe, die einigermaßen Wellen geschlagen und einen Politiker zum Rücktritt bewegt hat? Wir haben zusammen die Silberstein-Affäre aufgedeckt. Ich schweife ab. Er wird jedenfalls mit seinem Team diesen Newsletter bis zu meiner Rückkehr federführend bespielen. Das wird super, Sie werden sehen! Bis ganz bald, bleiben Sie uns treu (wenn Sie noch kein Abo haben, hier. Newsletter-Anmeldung: hier). 

Alles Liebe, Ihre Anna Thalhammer

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.