Russland: Nächster Bruch mit „unfreundlichen Staaten“
Anfang dieser Woche gab der russische Präsident Wladimir Putin bekannt, die meisten Bestimmungen des bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich und mehr als 30 weiteren Staaten ab sofort nicht mehr anzuwenden.
Russland führt schon lange über seine untreuen Freunde Buch: Der Erlass vom Dienstag betrifft alle EU-Staaten, die über geltende bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen mit Russland verfügen, sowie Staaten wie Australien, Japan und die USA, die im Zusammenhang mit der russischen Invasion in der Ukraine Sanktionen gegen Russland verhängt haben. Hierzulande denkt man über weitere Schritte nach, während andere Staaten recht kühl die Mitteilung Russlands „zur Kenntnis“ nehmen – lediglich aus Japan ist von Protest die Rede.
„Doppelbest… – was?“
Darum geht es bei diesem Deal: Generell regeln solche Abkommen, dass Unternehmen oder Personen für ihre Wirtschaftstätigkeit nicht „doppelt“ – also in zwei Staaten – besteuert werden sollen. Es wird auch vertraglich vereinbart, welches Land ganz oder teilweise auf die Besteuerung verzichtet.
Das Abkommen zwischen Österreich und Russland hat bisher zum Beispiel dafür gesorgt, dass etwaige Dividenden, Zinsen und Lizenzen nicht auch noch mit einer russischen innerstaatlichen Steuer belegt werden. Es gilt seit dem Jahr 2000.
Das ist nun Geschichte. profil fragte bei der Raiffeisen Bank International nach, die bekanntlich noch immer in Russland tätig ist, was das Ende des Abkommen bedeutet: Dividenden werden ab sofort mit 15 Prozent statt mit 5 Prozent wie bisher besteuert. Zinsen und Lizenzen werden ab sofort mit 20 Prozent besteuert (statt wie bisher gar nicht). Im Finanzministerium ist man laut APA vorsichtiger: Im Fall des österreichisch-russischen Abkommens gelte es, Fristen zu beachten. Der weiterhin auch aus russischer Perspektive anzuwendende Artikel 29 sieht die Möglichkeit einer schriftlichen Kündigung vor dem 30. Juni jedes Jahres vor, die dann mit dem 1. Jänner des Folgejahres wirksam würde. Das „ab sofort“ aus Russland klingt freilich ganz anders.
Steuern oder Schließungen?
Es ist nicht das erste Mal seit Kriegsbeginn, dass “feindliche Staaten“ vom Kreml zur Kassa gebeten werden. Vom Erlass des Rubeldekrets, das Zahlungen für Gaslieferungen in der russischen Währung vorschreibt, nämlich dem Rubel, war auch die heimische OMV betroffen. Das Dekret sollte den Rubel stützen und ein Wertverlust der russischen Währung verhindern. Außerdem verhindern Kapitalverkehrsbeschränkungen, dass Erträge von westlichen Firmen aus dem Land abfließen.
Solche Maßnahmen gehören zu Russlands Strategie, seine steigenden Militärausgaben zu finanzieren – indem der Kreml dort agierende internationale Unternehmen zur Kasse bittet. Und er gießt mit dem Ende des Steuerdeals neues Öl in die flammende Debatte um die Beteiligung heimischer Unternehmen am andauernden Krieg, wenn auch indirekt, durch ihren Beitrag zum russischen Staatshaushalt. Und auch für seine extravaganten PR-Kampagnen braucht Putin Geld: Mitten im Krieg will Russland auf den Mond. Heute Nacht startete eine Mission, auf der Wasser auf unserem Erd-Trabanten gesucht werden soll.
Gleichzeitig zitiert die Moskauer Tageszeitung „Kommersant“ den Steuerexperten Aleksandr Jerassow: Putins Entscheidung könnte „für viele internationale und russische Firmen die Frage zuspitzen, ob sie in Russland oder im Ausland weiter tätig sein wollen.“ Mit Österreich besteht jedenfalls in vielen Fällen noch eine aufrechte Freundschaft: Geld war bekanntlich – profil hat berichtet –, dicker als Sanktionen.
Ich wünsche Ihnen ein entspanntes Wochenende und hoffe, Sie schauen ab morgen in unsere neue Heftausgabe. Wir bieten Ihnen unter anderem ein umfassendes Repertoire um die wieder entfachte Genderdebatte, Lehren aus den neuerlichen Extremwetterereignissen in Österreich und ein Best-of der erstaunlichsten Funde aus der Archäologie (Wissen Sie, womit die älteste Pizza der Welt belegt war?). Deal?
Elena Crisan