Schlauer als die Polizei
Es könne nicht sein, dass strafrechtliche Ermittlungsverfahren sieben, dreizehn oder sogar vierzehn Jahre dauern, klagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) vor einigen Tagen in der ORF-„Pressestunde“. Sie will ein Beschränkung auf maximal zwei bis drei Jahre, in schwierigen Fällen höchstens vier. „Alles andere ist ein Wahnsinn“, meinte die Ministerin, welche nun die Rechte der Beschuldigten stärken möchte.
Edtstadler kommt selbst aus der Justiz. Vor ihrer Polit-Karriere war die Ministerin unter anderem als Richterin am Landesgericht Salzburg tätig. Damals war sie nicht immer auf Milde getrimmt. Einmal machte Edtstadler Schlagzeilen, weil sie einen Angeklagten so hart verurteilte, dass sogar die Staatsanwaltschaft dagegen Berufung einlegte.
Natürlich ist es ein untragbarer Zustand, wenn Ermittlungsverfahren zehn Jahre oder noch länger dauern – nicht nur für die Beschuldigten, sondern auch für den Rechtsstaat insgesamt. Die Frage ist, wie man dieses Problem lösen möchte.
Manche Verbesserungsmöglichkeiten lägen eigentlich auf der Hand: mehr Ressourcen, bessere Ausstattung und effizientere Organisation. Strukturelle Nadelöhre sollten rasch identifiziert und nach Möglichkeit beseitigt werden. Ein Beispiel ist gerade in jüngerer Vergangenheit die Auswertung sichergestellter Unterlagen von Berufsgeheimnisträgern – etwa Rechtsanwälten. Um dem besonderen Schutzinteresse gerecht zu werden, ist hierfür im Vorfeld ein richterliches Sichtungsverfahren notwendig. Dies führt in einigen Verfahren zu massiven Zeitverzögerungen. Mehr Ressourcen in diesem Bereich könnten helfen, die Angelegenheit zu beschleunigen, ohne den rechtlichen Schutz zu beschneiden.
Keine rechtsstaatlich tragbare Lösung zur Verfahrensbeschleunigung wäre hingegen eine automatische Beschränkung auf vier Jahre. Laut Justizministerium dauern Ermittlungsverfahren im Durchschnitt ohnehin nur 3,6 Monate. Schon jetzt ist geregelt, dass Verfahren, die länger als drei Jahre dauern, einem Gericht vorgelegt werden müssen. Dieses prüft dann, ob eine Einstellung zu erfolgen hat, oder weiterermittelt werden darf. Laut Ministerium betrifft das weniger als 0,4% der Verfahren.
Es handelt sich also um ein absolutes Minderheitenprogramm – dies jedoch vor allem in besonders komplexen Wirtschafts- und Korruptionscausen. Gerade dort gibt es jedoch auch Faktoren, deren Beschleunigung nicht unbedingt in der Hand der österreichischen Justiz liegt. Wenn in einem Ermittlungskomplex zum Beispiel zig Rechtshilfeersuchen an ausländische Staaten gestellt werden müssen, die auch nicht immer ganz zackig kooperieren, dauert das eben mitunter Jahre. Zieht man hier eine zeitliche Obergrenze ein, hieße das, dass nicht nur Unschuldige davonkommen, sondern auch jene, die bei der Planung, Organisation und gegebenenfalls der Verteidigung ihrer Taten schlau genug sind. Und über das nötige Kleingeld dafür verfügen.
Es stünde der heimischen Politik gut an, die Justiz so aufzustellen, dass auch schwierige Ermittlungsverfahren in einer erträglichen Dauer abgearbeitet werden können. Dies freilich, ohne den Rechtsstaat dabei zu beschneiden. Festhalten lässt sich: Das Problem langer Ermittlungsverfahren ist nicht neu. Angesichts der 2019 gestarteten Casinos-Ermittlungen mit ihren weit verzweigten Teil-Causen ist allerdings nicht auszuschließen, dass es in absehbarer Zukunft besonders viele Parteifreunde Edtstadlers betreffen könnte.