MORGENPOST

Schmiergeldverdacht im BVT: Beamter und Privatagentin Ende Juni vor Gericht

Ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes soll einer deutschen Informationshändlerin mit Stasi-Vergangenheit zugearbeitet haben – gegen Geld. Die Affäre flog 2016 auf, nun startet der Prozess.

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Und täglich grüßt das BVT: Das frühere Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist wie kaum eine andere Behörde in den vergangenen Jahren ins Rampenlicht geraten. Ein enormes Problem für einen Quasi-Geheimdienst, der weitgehend im Verborgenen operieren sollte. Letztlich hat das Innenministerium dann den Verfassungsschutz organisatorisch auf neue Beine gestellt und auch umbenannt – in Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN).

Die Vorgängerbehörde BVT bestimmt aber weiterhin die Nachrichtenlage: zuletzt wegen der mutmaßlichen Unterwanderung durch eine für Russland agierende Spionagezelle – profil berichtete ausführlich. Und nun kommt auch noch eine andere Altlast aufs Tapet oder besser gesagt: vor Gericht.

profil-Informationen zufolge steht ab 26. Juni ein bemerkenswertes Duo vor Gericht: ein suspendierter BVT-Beamter (Alter: Mitte 60) und eine deutsche Privatschnüfflerin (Alter: Ende 70). Sie weist Stasi-Vergangenheit auf und war in späteren Jahren unter anderem für hochkarätige Auftraggeber aus der Wirtschaft, aber auch für einen höchst prominenten Oligarchen tätig. Laut Anklageschrift nutzte Christina W. im Laufe der Zeit verschiedene Decknamen: „Chris“, „Johanna“, „Bertram“ (so wurde sie beim BVT als Quelle geführt) – und besonders gerne „Nina“.

Verdacht: 93.500 Euro in sechs Jahren 

Privatagentin „Nina“ soll sich – so der Vorwurf der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – jahrelang der Dienste des ihr gut bekannten BVT-Mitarbeiters bedient haben. Der Beamte führte laut Anklage von seinen Dienstzugängen Firmen- und Grundbuchabfragen für Christina W. durch und erstelle auf einer speziellen Analysesoftware des BVT Organigramme – offenbar von Personen- und Firmennetzwerken. Dafür soll er Geld kassiert haben: von September 2009 bis Dezember 2015 insgesamt 93.500 Euro. Der Verdacht lautet auf Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit – profil berichtete ausführlich.

Die Anklageschrift umfasst jedoch beileibe nicht das gesamte Wirken von Christian W. in ihrer vielschichtigen Tätigkeit als Privatschnüfflerin und Informationshändlerin. Vor Gericht kommen nur jene Aspekte, aus denen die WKStA einen entsprechenden strafrechtlichen Verdacht ableiten konnte. Im Vorjahr berichtet profil darüber hinaus unter anderem über spannende Russland-Bezüge der Causa. 

Eine Sprecherin des Landesgerichts St. Pölten bestätigte auf profil-Anfrage den Prozessstart Ende Juni. Vorerst wurde nur ein Verhandlungstermin fixiert. Die weiteren sollen in der Folge festgelegt werden. 

Aus vier Angeklagten wurden zwei

Aufgeflogen ist die Affäre im April 2016 – somit vor acht Jahren. Eigentlich brachte die WKStA die Anklageschrift bereits im Herbst 2022 ein. Dass es dann noch einmal eineinhalb Jahre bis zum geplanten Prozessstart gedauert hat, lag zunächst an einem Anklageeinspruch, der Anfang April 2023 vom zuständigen Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde. In der Folge stellte sich dann aber in Bezug auf Christina W. auch noch die Frage der Verhandlungsfähigkeit. Diese wurde im Rechtshilfeweg über einen Gutachter in Deutschland geklärt, was Monate in Anspruch nahm.

Dazwischen kam es noch zu einem bemerkenswerten Vorgang: Eigentlich hatte die WKStA vier Personen angeklagt. Im September 2023, als die Anklageschrift bereits geraume Zeit rechtswirksam war, zogen die Ermittler die Anklage gegen zwei Nebenbeschuldigte jedoch zurück. Bei ihnen handelte es sich um frühere Mitarbeiter eines Finanzamts in Niederösterreich, die illegal Steuerdaten eines russischen Geschäftsmanns abgefragt haben sollen. Die WKStA wirft dem angeklagten BVT-Beamten vor, einen der beiden Finanzamtsmitarbeiter dazu angestiftet zu haben. Auftraggeber soll ein Schweizer Privatermittler gewesen sein, den diesbezüglichen Kontakt soll Christina W. hergestellt haben.

Illegale Finanzamtsabfragen?

Auf profil-Anfrage erklärte ein Sprecher der WKStA, dass die Anklage gegen die beiden Nebenbeschuldigten deshalb zurückgezogen wurde, weil einer von ihnen in der Vergangenheit wegen eines ähnlich gelagerten Delikts verurteilt und der andere eine Diversion erhalten habe. Man sei zu der Ansicht gelangt, dass nunmehr keine nennenswerte Zusatzstrafe zu erwarten sei. Der in der Anklage enthaltene Vorwurf der Bestimmung zum Amtsmissbrauch gegen den BVT-Mitarbeiter, der die Abfragen angeleiert haben soll, bleibt laut WKStA jedoch aufrecht.

Gegen Christina W. erhebt die WKStA in Zusammenhang mit den Finanzamtsabfragen keinen strafrechtlichen Vorwurf – im Ermittlungsverfahren konnte nicht festgestellt werden, dass W. den BVTler dazu aufgefordert hätte. Gegen sie gibt es allerdings einen anderen Verdacht: Die deutsche Privatagentin soll versucht haben, ihren BVT-Kontaktmann dazu anzustiften, amtsmissbräuchlich im Kfz-Zentralregister Autokennzeichen abzufragen. Dass der Beamte solche Abfragen tatsächlich durchgeführt hat, war im Rahmen der Ermittlungen nicht nachweisbar, weshalb gegen den BVTler zu diesem Punkt keine Anklage erhoben wurde

Christina W. wollte sich zuletzt zu den Vorwürfen nicht äußern. Nach Bekanntwerden der Anklage teilte ihr Anwalt mit, seine Mandantin habe sich „in der Vergangenheit in fünf Vernehmungsterminen bereits ausführlich eingelassen“. Der beschuldigte BVT-Beamte hat sämtliche Vorwürfe immer bestritten: Ermittlungsbehörden in Deutschland hätten festgestellt, dass „auch in Österreich keine strafrechtsrelevante Verdachtslage“ gegen seine Person bestehe. Die WKStA sieht das offenbar anders. Bald wird man wissen, was das Gericht dazu sagt.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).