Schmutzwäsche

Korruptionsvorwürfe und die ÖVP, Fast Fashion und die Nachhaltigkeit: In der Politik und beim Modeeinkauf gilt, man muss nicht alles glauben, was einem schön verpackt geliefert wird.

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Man darf Wolfgang Berndt angesichts seiner 80 Lebensjahre und beachtlichen Karriere mit Fug und Recht eine „graue Eminenz“ nennen. Also eine mächtige Person, die sich diskret im Hintergrund hält, was ihren Einfluss keinesfalls schmälert und sie überdies mit einem leicht schaurigen Nimbus versieht.

profil-Kollege Michael Nikbakhsh fördert den erwähnten Herrn, der in vielen heimischen und internationalen Aufsichtsräten saß, unter anderem jenem der OMV, ans Licht der Öffentlichkeit, das graue Eminenzen üblicherweise scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Berndt gilt als früher Förderer von Ex-Kanzler Sebastian Kurz, spendete 2017 der ÖVP-Jugendorganisation 20.000 Euro, ließ zwei Jahre später noch einmal 45.000 Euro für die Bundespartei springen, und antwortete im laufenden ÖVP-Korruptionsausschuss Anfang September, darauf angesprochen: „It´s not a big deal.“

Nun aber fiel sein Name auch in den Einvernahmen von Thomas Schmid durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Schmid wiederum war Kabinettchef im Kanzleramt, Generalsekretär im Finanzministerium, Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, wird selbst als Beschuldigter geführt, will nun aber Kronzeuge im sogenannten „Casinos“-Verfahren werden. Und weil es in der einstigen Welt von Schmid – und Berndt – um Milliardenwerte geht, ist das alles andere als, „kaum der Rede Wert“. Vielsagende Einblicke in das System Kurz sind garantiert, auch was die Ausrichtung der OMV nach Russland betrifft. Am 3. November soll erstmals auch Schmid im ÖVP-Korruptionsausschuss aussagen. Als Beschuldigter dürfte er lügen, hier gilt die Wahrheitspflicht.

„Ein bisserl Herzweh“

Das Ibizia-Video, öffentlich gewordene ÖVP-Chats, nun die Schmid-Protokolle Aussagen: Für ÖVP-Funktionärinnen, Bürgermeister und Landespolitiker, die landauf, landauf für die Partei im Einsatz sind, tut das alles „schon ein bisserl im Herzen weh“, wie es Robert Hammer, Bürgermeister der oststeirischen Gemeinde Unterlamm formuliert. profil hat elf ÖVP-Politikerinnen und Politiker gefragt, wie es ihnen angesichts der nicht abreißenden Vorwürfe gegen die türkise Bundespartei geht. Die Befindlichkeiten gehen weit auseinander. „Kurz war einer der besten Politiker, die die ÖVP seit 30 Jahren hervorgebracht hat. Mir ist es zu billig, jetzt alle seine Erfolge beiseite zu schieben“, meint etwa Hannes Rauch, 51, von 2011 bis 2013 ÖVP-Generalsekretär, danach für die ÖVP im Nationalrat und im Tiroler Landtag. Die Protokolle werden auch online zu lesen sein. Den Auftakt macht die Tiroler Ex-Landesrätin Beate Palfrader, die ihrer Partei deutlich kritischer gegenübersteht und es „immer wieder erschreckend findet, wie schnell man Heilsbringern auf den Leim geht“.

Shoppen, shoppen, shoppen

Apropos: Große Modeketten und Anbieter von Fast Fashion belügen uns nach Strich und Faden, wenn es um nachhaltiges Produzieren und angeblich ökologische Materialien geht. Wir sollen shoppen, shoppen, shoppen, als gäbe es kein Morgen, aber – jetzt neu! – mit „gutem Gewissen“. Greenwashing nennt sich das strategisch angelegte Vorgaukeln von Klima- und Umweltfreundlichkeit. Die Wahrheit ist, schreiben Angelika Hager und Sebastian Hofer nach wochenlangen, akribischen Recherchen in der dieswöchigen profil-Titelgeschichte: Die Modeindustrie stiftet ökologisches und soziales Unheil. Doch lassen meine Kollegen Sie mit diesem ernüchternden Befund nicht allein. Hager und Hofer schildern auch, wie man den „Dirty Tricks“ der „Greenwasher“ auf die Schliche kommt und was man tun kann, um beim Shoppen die Welt nicht zu ruinieren. Am Ende gilt: Nicht überall, wo „neue, bessere Politik“ versprochen wird, folgt diese auch. Und nicht jedes T-Shirt, auf dem  „Bio“ oder „People over Profit“ steht, ist wirklich nachhaltig produziert. Weder in der Politik noch beim Modeeinkauf muss man alles glauben, was einem schön verpackt geliefert wird.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und einen guten Start in die neue Woche,

Edith Meinhart

Edith   Meinhart

Edith Meinhart

war von 1998 bis 2024 in der profil Innenpolitik. Schreibt über soziale Bewegungen, Migration, Bildung, Menschenrechte und sonst auch noch einiges.