Morgenpost

Sebastian Kurz und Florian Teichtmeister: Die erste und die letzte Premiere

Der ehemalige Kanzler kommt ins Kino (aber eher nicht in die Politik zurück). Außerdem: eine Reportage vom Prozess gegen Florian Teichtmeister.

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Heute Abend hat im Wiener Artis-Kino ein Film Premiere, von dem selbst dezidierte Kino-Freaks bis vor einer Woche keinen Schimmer hatten (und der sogar einige seiner Protagonisten auf dem falschen Fuß überrascht hat). Der Dokumentarfilm „Kurz“ des oberösterreichischen Regisseurs Sascha Köllnreitner („Mythos Kitzbühel“) hatte am Wochenende für Aufregung gesorgt, weil der Trailer eine filmische Seligsprechung des ehemaligen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz verhieß – und sich einige seiner für den Film interviewten Kritiker nicht so gern in diesem Umfeld sahen.

Kurz und wie er sich selbst sah

Gestern fand nun – unter unüblich hohem Politikjournalistenaufkommen – eine erste Pressevorführung des gut eineinhalbstündigen (und damit ca. 60 Minuten zu langen) Streifens statt. In seiner Gesamtheit kann „Kurz“ die Bedenken nicht restlos zerstreuen, der Film folgt – mit einigen kritischen Schlenkern – doch recht treuherzig der türkisen Erzähltradition vom (rasanten) Aufstieg und (unverschuldeten) Fall des Sebastian K.; die Machart ist übliche Netflixdoku-Schablone: keckes Schnittmaterial wird da flott unter Talking-Heads-Passagen gemischt; Detailaufnahmen auf Hände, Augen, Hintergrund; Fokuswechsel bei laufendem Gespräch, manchmal ein unruhiger Seitenblick; Zeitraffer, schnelle Schwenks, Schwarzblenden; die Dramaturgie insgesamt brav chronologisch, aber doch mit einigem Tamtam im Spannungsaufbau. Leider folgt dem Aufbau kein Knaller, „Kurz“ unterliegt dem Irrtum, dass sein Titelheld ganz von allein für Inhalt und Aufregung sorge. So wird da allen Ernstes die Entscheidung, für den Wahlkampfauftakt anno 2017 die Wiener Stadthalle zu buchen, von Kurz‘ damaligem Wahlkampfmanager Philipp Maderthaner zu einem atemberaubenden Husarenstück hochgejazzt: Irre, oder? Naja, geht so.

Immerhin: Man sieht, was der Kanzler heute so macht: Sebastian Kurz fliegt um die Welt, inspiriert Unternehmer, steht international für Selfies und gute Ratschläge zur Verfügung und ist sich, im Rückblick betrachtet, immer noch ziemlich sicher, sehr viel richtig gemacht zu haben. Und: Die Politik reizt ihn, das sagt er in aller Klarheit, nicht mehr – „derzeit“. Wer sich überraschende Einsichten von Kurz‘ ehemaligen (und teils aktuellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartet hätte, wird wenig finden, Gernot Blümel, Elisabeth Köstinger, Gerald Fleischmann, Stefan Steiner und Co. erzählen die Geschichte, wie man sie schon aus türkisen Belangsendungen kannte und wie sie für Politikmarketingseminare sicher sehr hilfreich sein mag; welche Cineplexx-Zielgruppe hier genau anvisiert wird, bleibt allerdings unklar (Arnold-Schwarzenegger-Fans seien jedenfalls gewarnt: Arnies Wortspenden sind zwar durchaus erfrischend, aber doch eher, tja, kurz).

Teichtmeister vor Gericht

Etwa zeitgleich mit der „Kurz“-Vorführung fand gestern im Wiener Landesgericht der Prozess gegen den Schauspieler Florian Teichtmeister statt, dem der Besitz und die Herstellung (durch Kopie und Collage) von mehreren zehntausend Missbrauchsdarstellungen von Kindern vorgeworfen wurde. Teichtmeister war geständig, das öffentliche Interesse an dem Prozess enorm; am Rande des Prozesses kam es – neuerlich – zu Morddrohungen gegen den Angeklagten. Nach knapp 40-minütiger Beratung entschied der Senat auf eine bedingte zweijährige Haftstrafe sowie die – ebenfalls bedingte – Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum („Maßnahmenvollzug“).

Zugleich wies das Gericht Teichtmeister zu intensiver psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung sowie engmaschigen Drogen-Tests an. Richter Stefan Apostol erklärte – neben der grundsätzlichen Schwere der Schuld durch den langen Tatzeitraum und die hohe Zahl der Darstellungen – auch die berücksichtigten Milderungsgründe. Dazu gehöre unter anderem Teichtmeisters ordentlicher Lebenswandel, sein vollumfangreiches Geständnis sowie auch die Begleitumstände des Verfahrens: „Sie haben einen Prozess über sich ergehen lassen müssen, der seinesgleichen sucht“, meinte Apostol; die soziale Ächtung sei bei der Strafbemessung ins Kalkül zu ziehen. Aber: „Sie haben ein Damoklesschwert über sich hängen.“ Eine ausführliche Reportage aus dem Gerichtssaal, die mein Kollege Stefan Grissemann verfasst hat, lesen Sie hier.

Einen schönen Mittwoch wünscht Ihnen

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.