Sexualisierte Gewalt: Eine Waffe mit System
45 Überlebende: 26 Männer, zwölf Frauen, sieben Minderjährige. Auf ihre Aussagen stützt sich der von Amnesty International gestern veröffentlichte Bericht, auf das, was sie der iranischen Polizei, Revolutionsgarde und dem Geheimdienst vorwerfen. Er dokumentiert Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen und/oder andere Formen sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen, die ihr Kopftuch aus Protest abnahmen oder Männern und Jungen, die sich den Demonstrationen für Gleichberechtigung anschlossen.
„Unsere Recherchen zeigen, dass Geheimdienstangehörige und Sicherheitskräfte im Iran Vergewaltigung und andere Formen sexualisierter Gewalt eingesetzt haben, um Protestierende, darunter Kinder im Alter von zwölf Jahren, zu bestrafen und ihnen bleibende körperliche und psychische Schäden zuzufügen”, sagt Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, in einer Aussendung.
Sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe in Konflikten einzusetzen ist kein neues Phänomen. Denken Sie an die Vergewaltigungen durch russische Soldaten im ukrainischen Butscha oder an die durch Hamas-Terroristen verschleppten Geiseln in Israel. profil berichtete deshalb schon im Oktober vom weiblichen Körper als Schauplatz für Krieg und Terror.
Im Interview sagte Hashemi damals: „Der weibliche Körper ist oft ein Werkzeug, um die Bevölkerung autoritär unter Druck zu halten. Er wird als eine Art Instrument der Unterjochung benutzt. Wer über den weiblichen Körper bestimmt und Frauen ihre Autonomie nimmt, der kann im Grunde die Gesellschaft steuern. Sexualisierte Gewalt oder Misshandlungen sind dabei ein Mittel, um die Repression dauerhaft zu etablieren und festzusetzen.“ Und sie erkannte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Parallele zwischen dem Vorgehen der Hamas in Israel und dem des iranischen Regimes: „Mich erinnern die Bilder, die wir aus Israel sehen – beispielsweise wie die Hamas junge Frauen auf dem Techno-Festival behandelt – an die Videos von der iranischen Sittenpolizei aus dem letzten Jahr. Die Hamas wird vom Iran finanziert und ausgebildet. Und jetzt sieht man, wie sie mit denselben Strategien Frauen gegenübertreten, wie sie sexualisierte Gewalt bewusst einsetzen.“
1998 wurde vom Internationalen Strafgerichtshof festgehalten, dass es sich bei systematischen Vergewaltigungen um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und damit um Kriegsverbrechen, handelt. Bis jetzt wurde allerdings noch niemand wegen der im Bericht dokumentierten Fälle angeklagt oder verurteilt.