Was darf man heute noch sagen? Und worauf hoffen?
Wir gehen jede Wette ein, dass Sie schon von dem neuen Buch gehört haben, das die deutsch TV-Legende Thomas Gottschalk geschrieben hat und das heute offiziell in die Buchhandlungen kommt? Es heißt „Ungefiltert“ und ist wohl genau das: Aus der Perspektive des Früher-war-alles-Besser erläutert Gottschalk – neben allerlei Selbstbeschau des Künstlers als alterndem Mann – darin insbesondere die Tatsache, dass er einst viel freier reden habe können als heute (was ja lange Zeit tatsächlich seine Geschäftsgrundlage als hauptabendtauglich anzüglicher Showmaster war). Wie Gottschalk auch schon in seiner letzten „Wetten, dass..?"-Show vor Millionenpublikum resümierte, habe er inzwischen ständig die sägende Frage im Hinterkopf, ob er vielleicht gerade die Grenze des öffentlich Sagbaren überschreite – und wer diese Grenzen jetzt eigentlich ziehe.
Tatsächlich sind das sehr häufig „die jungen Leute“. Ihnen sagt Gottschalk, 74, in „Ungefiltert“ ganz öffentlich seine Meinung: dass ihnen zwischen digitaler Selbstdarstellung und sozialer Mediennutzung keine Zeit mehr für originelle Gedanken bleibe und dass ihnen darüber meistens auch die Arbeitsmoral flöten ginge. Mit diesen Thesen wird der Autor wahrscheinlich keinen Nobelpreis gewinnen und auch am Philosophischen Quartett klar vorbeisegeln, liefert aber immerhin ein schönes Stichwort zur neuen Shell-Jugendstudie, die gestern präsentiert wurde.
Krise? Ja, aber!
Es handelt sich seit Jahrzehnten um die maßgebliche Forschungsarbeit zur Frage, wie „die jungen Leute“ im deutschen Sprachraum so ticken: Mehr als 2500 Menschen zwischen 12 und 25 wurden für die aktuelle Ausgabe der alle fünf Jahre erscheinenden Studie befragt. Sie enthält einige bemerkenswerte Ergebnisse.
Trotz vielfältiger Krisenphänomene hält sich bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine überwiegend positive Weltsicht, Resignation oder Demokratieverdruss seien immer noch Randphänomene. Auch den zuletzt häufig attestierten Rechtsruck geben die Daten nicht her. Tatsächlich macht die Gruppe der „Verdrossenen“, die sich als Modernisierungsverlierer erleben und eine kritische Haltung zu Staat und Gesellschaft hegen, lediglich 12 Prozent der Gesamtgruppe aus. In der Selbsteinschätzung geben 46 Prozent an, „links oder eher links“ zu sein, 18 Prozent erklären sich für „rechts oder eher rechts“. Allerdings zeigten sich die Befragten doch sehr empfänglich für populistische Thesen: 44 Prozent stimmten etwa der Aussage zu, „eine starke Hand müsste mal wieder Ordnung in unseren Staat bringen.“
Insgesamt steigt das Interesse für Politik und politisches Engagement im Vergleich zu vergangenen Studienwellen. Als größte Quelle für Ängste und Sorgen erwies sich – wenig überraschend – der Gedanke an einen Krieg in Europa (81%), der Klimawandel bleibt mit 63 Prozent ebenfalls stark präsent, die Angst vor der Armut stieg in den vergangenen fünf Jahren dagegen stark an – von 52 Prozent auf 67 Prozent.
Was nun den grundsätzlichen Optimismus der jüngeren Generationen betrifft, ergibt die Shell-Studie ein interessantes Bild: Für die Zukunft der Gesellschaft insgesamt sehen aktuell 56 Prozent rosa (so viele wie seit über zwanzig Jahren nicht); gleichzeitig ist der Anteil derer, die hoffnungsfroh in die eigene Zukunft blicken, leicht gesunken (von 58 auf 52 Prozent). Allerdings gibt es hier gravierende Unterschiede: Bei den Befragten aus unteren sozialen Schichten zeigen sich heute 47 Prozent optimistisch, vor zehn Jahren waren es nur 32 Prozent. Im gleichen Zeitraum schwand der Anteil der Optimisten in den oberen sozialen Schichten von 76 Prozent auf 55 Prozent.
Wetten, dass dazu noch einiges zu sagen sein wird? Gern auch von Menschen Ü25.