Sideletter-Zeit: Um welche Posten FPÖ und ÖVP bald feilschen können
Am Beginn von Koalitionsverhandlungen dreht sich alles angeblich immer nur um Inhalte und nie um Posten. Ob das stimmt, kann hier dahingestellt bleiben. Dass es am Ende des Tages auch – und zwar ziemlich im Detail – um wichtige Jobs im staatsnahen Bereich geht, haben jedoch nicht zuletzt die beiden vorigen Regierungen bewiesen.
Sowohl ÖVP und FPÖ als auch ÖVP und Grüne beschlossen nach den Wahlen 2017 respektive 2019 geheime Sideletter, in denen Postendeals vereinbart wurden. Die Nebenvereinbarung zwischen Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) fand in Folge des Ibiza-Skandals den Weg an die Öffentlichkeit. Sie könnte nun – angesichts der wohl bald startenden blau-türkisen Koalitionsgespräche – interessante Aufschlüsse liefern. Zeigt das Papier doch ziemlich genau, auf welche Bereiche die beiden Parteien zumindest in der Vergangenheit besonderes Augenmerk legten.
Priorität eins: Politischer Durchgriff
Ganz oben steht die volle politische Durchgriffsmacht im jeweils eigenen Regierungsbereich – konkret, was das Personal in den Ministerien anbelangt: „Jede Regierungspartei ist für Personalangelegenheiten im eigenen Zuständigkeitsbereich direkt verantwortlich“, hieß es im damaligen Sideletter. Soweit so klar.
Punkt zwei im Bereich „Personalia“ ist hingegen schon etwas überraschender: Hier vereinbarten ÖVP und FPÖ seinerzeit, sich in Bezug auf eine allfällige gemeinsame Vorgangsweise betreffend der Nominierung eines Kandidaten für die Bundespräsidentschaftswahl 2022 abzustimmen. Auch diesmal wird es absehbarer Weise noch einige Jahre dauern, bis das Thema Hofburg-Wahl schlagend wird. Die nächste Präsidentschaftswahl findet – sofern nichts Unvorhergesehenes passiert – im Herbst 2028 statt. Falls eine blau-türkise Regierung zustandekommt und dann auch hält, wäre diese jedoch bis Herbst 2029 im Amt. Damit würde sich das locker ausgehen. Die Frage, wer in der Hofburg sitzt, dürfte wohl seit dem Kurz-Strache-Sideletter noch zusätzlich an Gewicht gewonnen haben. Mittlerweile hat sich ja in der Praxis gezeigt, wie wichtig die politische Rolle des Staatsoberhauptes tatsächlich sein kann – sehr zum Ärger der FPÖ und auch mancher in der ÖVP.
Politisches Gewicht bringt naturgemäß auch die Position des österreichischen EU-Kommissars mit sich. Diesbezüglich kam erst vor wenigen Wochen der ÖVP-Kandidat Magnus Brunner zum Zug. Die Amtszeit läuft allerdings nach fünf Jahren ab – eine Nachbesetzung könnte theoretisch also 2029 noch unter einer allfälligen blau-türkisen Regierung schlagend werden. Dass die EU-kritische FPÖ diesen Job für sich beanspruchen würde, beziehungsweise die ÖVP sich diesen wegnehmen ließe, wäre jedoch eher überraschend.
Wichtige Richter-Posten
Der dritte große Posten-Block im früheren Sideletter befasste sich im Detail mit Positionen an diversen Gerichten. Das könnte diesmal wieder der Fall sein. Am Verfassungsgerichtshof (VfGH) stehen in nächster Zeit zumindest zwei Richter-Nachbesetzungen an. Helmut Hörtenhuber ist Ende 2024 ausgeschieden. Seine Position muss bis Ende Jänner 2025 ausgeschrieben werden. Hörtenhuber soll ursprünglich auf ÖVP-Vorschlag von der Bundesregierung nominiert worden sein. Gut möglich, dass es der Volkspartei vom künftigen Regierungspartner zugestanden wird, nun einen Nachfolgekandidaten ins Rennen zu schicken. Die FPÖ könnte in Sachen VfGH jedoch bald darauf ebenfalls auf ihre Kosten kommen. Per Ende 2025 scheidet nämlich die als SPÖ-nahe geltende Verfassungsrichterin Claudia Kahr aus. Und ohne Regierungsbeteiligung werden die Sozialdemokraten bei der Nachbesetzung wohl eher nichts mitzureden haben.
Doch nicht nur beim VfGH werden Neubestellungen nötig – auch beim zweiten Höchstgericht, dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Dort geht es sogar um den wichtigsten Job, jenen des Präsidenten. Rudolf Thienel geht Ende August 2025 in Pension. Er gilt als ÖVP-nahe. Vizepräsidentin Anna Sporrer wiederum ist Jahrgang 1962 und wechselt daher spätestens 2027 ebenfalls in den Ruhestand. Sie wurde in der Vergangenheit der SPÖ zugeschrieben, war sie doch früher einmal juristische Referentin der SPÖ-Ministerin Helga Konrad.
Kurz und Strache vereinbarten seinerzeit in ihrem Sideletter, dass der ÖVP das Nominierungsrecht für die Position des Präsidenten zukommen würde, der FPÖ jenes für den Vize-Posten. Die nunmehrigen Parteichefs Herbert Kickl (FPÖ) und Christian Stocker (ÖVP) könnten diese Passage eins zu eins übernehmen – oder mit umgekehrten Farb-Vorzeichen.
Auch die obersten Gerichte der Europäischen Union waren im früheren Sideletter von Interesse. Diesmal kein Thema dürfte die Position des österreichischen Mitglieds am Europäischen Gerichtshof (EuGH) sein: Andreas Kumin wurde dort mittlerweile bis Oktober 2030 verlängert. Die Mandate der beiden österreichischen Richter am Gericht der Europäischen Union (EuG), Gerhard Hesse und Elisabeth Tichy-Fisslberger, laufen hingegen nur bis 31. August 2028. Fast schon eine ideale Situation für eine partei-paritätische Postenaufteilung.
Kontrolle über die Kontrolleure
Politische Parteien zeigen mitunter nicht nur großes Interesse an passenden Besetzungen im Bereich der obersten Gerichtsbarkeit, sondern auch bei wichtigen Kontroll-Institutionen. Was die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) anbelangt, ist der Zug diesmal bereits abgefahren – zumindest, wenn es um die operative Leitung, also das Direktorium, geht. Dieses wurde von der vorigen Bundesregierung vorzeitig ausgeschrieben und bis 2030 beziehungsweise 2031 neu besetzt. Eine rege parteipolitische Spielwiese könnte jedoch der sogenannte Generalrat – quasi der Aufsichtsrat – der OeNB bieten.
Die meisten der dortigen Mandate laufen 2028 aus – unter anderem jenes von OeNB-Vizepräsidentin Ingrid Reischl, die aus dem Gewerkschaftsbund stammt. Oder jenes von Leonhard Dobusch, dem wissenschaftlichen Leiter des stark von der Arbeiterkammer finanzierten „Momentum-Instituts“. Auf der Suche nach Umfärbungspotenzial müsste die FPÖ also nicht lange suchen. Dabei könnten die bestehenden Generalrats-Posten aus dem ÖVP-nahen Bereich praktisch unangetastet bleiben – Präsident ist bekanntlich Wirtschaftskammer-Boss Harald Mahrer.
Spannend dürfte es auch in Bezug auf die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) werden. Dort gibt es traditionell einen Zweier-Vorstand – wie geschaffen für eine politische Trachtenpärchen-Konstellation. Aktuell wird die FMA vom SPÖ-nahen Helmut Ettl und vom als ÖVP-nahe geltende Eduard Müller geleitet. Müllers Funktionsperiode läuft im Juli 2025 ab. Der Job ist längst ausgeschrieben, aber noch immer nicht nachbesetzt. Müller selbst hat seine Bewerbung allerdings zurückgezogen. Falls hier die ÖVP zum Zug kommt, könnte die FPÖ darauf bestehen, Ettls Posten, der vorerst bis Februar 2028 vergeben ist, mit einem ihr genehmen Kandidaten zu besetzen.
Durchaus glücklich mit der aktuellen Amtsinhaberin dürfte die FPÖ sein, was den Europäischen Rechnungshof betrifft. Die Position des österreichischen Mitglieds bekleidet seit August 2020 Helga Berger. Diese wies in der Vergangenheit zwar zurück, der FPÖ nahe zu stehen. Allerdings war sie früher einmal Vize-Büroleiterin des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider und Kabinettschefin der damaligen blauen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer.
Staats-Unternehmen als Polit-Spielwiese
Und dann gibt es natürlich noch ganz viele Jobs im Bereich der staatlichen Unternehmensbeteiligungen. Je nach Ministeriums-Zuordnung vereinbarten Kurz und Strache seinerzeit eine Aufteilung Zwei-Drittel/Ein-Drittel bei Aufsichtsratsposten. Top-Positionen im operativen Management waren in der damaligen Nebenabrede nicht fixiert. Dennoch können auch diese naturgemäß zum Spielball für politische Wünsche werden.
Ein kleiner Überblick, was wann frei wird:
Bei den ÖBB ist auf Holding-Ebene der Vorstandsvorsitzende Andreas Matthä vorerst nur bis 2026 bestellt. Hier könnten die Parteien dann entsprechend einhaken – wenn sie möchten. Jedenfalls dürfte das auf Aufsichtsratsebene der Fall sein. Aufsichtsratschefin ist die frühere SPÖ-Politikerin und Managerin Brigitte Ederer. Ihr Mandat läuft nur bis 2025. Dasselbe gilt für den Aufsichtsratsposten von Cornelia Breuß, die früher im Kabinett der grünen Infrastrukturministerin Leonore Gewessler tätig gewesen ist. Hier könnten FPÖ und ÖVP postenpolitisch also besonders rasch zuschlagen.
Breuß sitzt auch im Aufsichtsrat der staatlichen Autobahn-Gesellschaft Asfinag – gemeinsam mit einer gewissen Ana Simic, die von der FPÖ in der Vergangenheit als „grüne Parteisoldatin“ bezeichnet wurde. Beide Mandate laufen bis 2027. Auch hier böte sich eine Umfärbung aus blau-türkiser Sicht geradezu an.
Eine Möglichkeit für rasche Neubesetzungen könnte sich auch bei der staatlichen Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft SCHIG ergeben. Die aktuelle Funktionsperiode von zumindest fünf Aufsichtsratsmitgliedern endet mit der Generalversammlung 2025.
Außerhalb des Infrastrukturbereichs thront über allem die Staatsholding ÖBAG. Allein-Vorständin Edith Hlawati hat einen laufenden Vertrag bis 2027. Die sechs zu vergebenden Aufsichtsratsmandate laufen jeweils entweder bereits heuer oder ebenfalls 2027 ab. Hier könnten die Koalitionsverhandler also durchaus bereits jetzt entsprechende Vorstellungen entwickeln.
Das gilt auch für die diversen Beteiligungen, welche die ÖBAG in ihrem Portfolio hat. Beim Verbund ist der ÖVP-nahe Vorstandsvorsitzende Michael Strugl zwar bis Anfang 2029 bestellt. Die anderen drei Vorstandsjobs enden jedoch früher. Außerdem laufen bis 2028 gleich zehn Aufsichtsratsmandate aus – darunter eines einer Arbeiterkammer-Vertreterin. Dieses wäre bereits 2026 nachzubesetzen – also durchaus in näherer Griffweite für allfällige blau-türkise Begierden. Nicht zu rütteln wäre wohl am Mandat des Wiener-Stadtwerke-Managers Peter Weinelt, das ebenfalls 2026 ausläuft. Die Stadtwerke sind nämlich selbst am Verbund beteiligt.
Bei der OMV geht es spätestens Mitte 2026 um den Job des Generaldirektors – dann läuft der Vertrag des jetzigen Chefs Alfred Stern aus. Alle vier weiteren Vorstandsmitglieder sind ebenfalls nur bis 2026 beziehungsweise 2027 bestellt. Und auch das eine oder andere Aufsichtsratsmandat dürfte 2025 und 2026 zu vergeben sein.
Im Vorstand der teilstaatlichen Telekom Austria verfügt der ÖVP-nahe Vize-Chef Thomas Arnoldner über einen Vertrag bis 31. August 2026 – allerdings mit zwei Jahren Verlängerungsoption. Bereits vorher, 2026 und 2027, könnten jedoch zumindest fünf Aufsichtsratsmandate für politische Vergaben frei werden.
Bei der Österreichischen Post AG wurde der Vorstand gerade erst neu bestellt. Auch hier dürfte es in der parteipolitischen Abstimmung also eher um Aufsichtsratsjobs gehen. Drei derartige Mandate laufen 2025 ab, vier weitere dann 2026.
Für viel Aufregung sorgten in der Vergangenheit Jobvergaben bei der Casinos Austria AG. Seit 2022 ist nun Erwin van Lambaart Vorstandsvorsitzender. Spannend wird wohl vor allem, wie es im Aufsichtsrat weitergeht. Der Vorsitzende Wolfgang Hesoun wurde im Vorjahr um zwei Jahre verlängert – bis 2026. Selbiges gilt für Erika Stark-Rittenauer, die ebenfalls per ÖBAG-Vorschlag ins Aufsichtsgremium berufen wurde. Gut möglich, dass es hier unter neuen politischen Vorzeichen zu Veränderungen kommt.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Das Umfärbungspotenzial in den kommenden fünf Jahren ist beträchtlich. Und FPÖ und ÖVP sind nicht dafür bekannt, ein derartiges Potenzial liegen zu lassen.