Spione, Deals und rote Teppiche – Start für neunteiligen „Putin“-Podcast
Es soll mitunter vorkommen: Kennengelernt beim Skifahren, gleich aufs Beste verstanden – und 20 Jahre lang beieinander geblieben. Doch plötzlich dann das böse Erwachen.
Wladimir Putin und Österreich, das war lange Zeit eine Beziehung wie aus dem Bilderbuch. Im Februar 2001 beehrte der russische Präsident erstmals in offizieller Funktion die Alpenrepublik. Es war Putins erster echter Staatsbesuch im Westen, nachdem er im Jahr 2000 gewählt worden war. Und dieser Besuch führte ausgerechnet nach Österreich – umrahmt von einer Inszenierung, die kaum hätte besser sein können: In St. Anton am Arlberg, wo gerade die Ski-WM stattfand, wedelte der betont sportliche Staatschef gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) kamerawirksam die Piste hinunter. Und in trauter Einigkeit ging es per Sessellift hinauf.
Jahre des Augenzudrückens
Was folgte, waren Jahre enger Kooperation, Jahre lukrativer Wirtschaftsbeziehungen, aber auch Jahre des Augenzudrückens: wenn Putins Oligarchen Österreich als Gelddrehscheibe benutzten; wenn sich der starke Mann aus Moskau nicht um Menschenrechte scherte; oder wenn er in anderen Staaten völkerrechtswidrig militärisch die Muskeln spielen ließ. Selbst nach der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 war der zunehmend autoritär agierende Kreml-Chef dem offiziellen Österreich hochwillkommen. Man rollte ihm den roten Teppich aus wie eh und je und vertiefte sogar noch die massive Abhängigkeit in einem so zentralen Bereich wie der Energieversorgung.
Doch mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine im Februar 2022 war Wegschauen plötzlich keine gangbare Option mehr. Nun sitzt Österreich vor den Trümmern einer Beziehung, deren positive Aspekte einseitig schöngeredet wurden, deren toxische Seiten man aber lange ignoriert hat. Das reicht von der Erdgas-Abhängigkeit bis hin zu Spionage und dem schweren Verdacht, es könnte versucht worden sein, Österreichs Sicherheitsapparat zu unterwandern.
Neuer Podcast
Nun widmet profil Putin und seinem vielschichtigen Verhältnis zu Österreich eine neunteilige Serie im Rahmen des Investigativ-Podcasts „Nicht zu fassen“. Am Beginn steht ein Blick ins Fotoalbum: Denn Putin beim Skifahren mit Schüssel war nur der Beginn der großen russisch-österreichischen Nahebeziehung. Über die Jahre sind dabei so viele einprägsame Bilder entstanden, dass man fast von einer Foto-Love-Story sprechen kann.
Putin, wie er 2004 dem Bundespräsidenten-Ehepaar Klestil bei einem Privatbesuch in Moskau Hundewelpen schenkt.
Putin, wie er 2014 mit österreichischen Sportfunktionären, Wirtschaftsgrößen und seinem Freund Karl Schranz sein Prestigeprojekt feiert – die olympischen Winterspiele in Sotschi.
Putin, wie er in mehreren Jahren Star-Gast bei der Wirtschaftskammer ist.
Putin, wie er 2018 mit Argusaugen darüber wacht, dass ein umstrittener Vertrag für Gaslieferungen unterzeichnet wird.
Putin im selben Jahr mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, dessen Partei sogar einen Freundschaftsvertrag mit der Partei des Kreml-Chefs abschloss.
Und natürlich: Putin beim Hochzeits-Tanz mit der einstigen österreichischen FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl – und beim darauffolgenden bodentiefen Knicks der Braut und Chefdiplomatin. Ein Foto ebenfalls aus 2018, das wahrlich um die Welt ging.
Kein Foto gibt es hingegen vom bislang letzten Putin-Treffen eines österreichischen Regierungsmitglieds: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war der erste EU-Regierungschef, der Putin nur sechs Wochen nach der Invasion der Ukraine im Jahr 2022 einen Besuch abstattete. Bildmäßig überliefert ist nur Nehammer alleine, wie er in Moskau in ein Auto steigt. Fast schon ein Sinnbild für die Erfolglosigkeit des Versuchs, Putin zu einem Einlenken in der Ukraine zu bewegen.
Verborgene Zusammenhänge
Hinter all den Treffen, Events und geschichtsträchtigen Momenten stecken hochkomplexe und teils verborgene Zusammenhänge. profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer, Wirtschaftsressort-Leiterin Marina Delcheva und der Autor dieser Morgenpost gehen diesen Connections in der neuen Podcast-Reihe auf den Grund. Unter anderem geht es dabei um wirtschaftliche Beziehungen, etwa um das ungelöste Problem der Erdgas-Abhängigkeit und die Rolle der teilstaatlichen OMV. Es geht um einen Verein, der jahrelang als politik- und wirtschaftsnahe Drehscheibe für die österreichisch-russische Freundschaft diente – mit bemerkenswerten Hintergrundaktivitäten. Es geht um einen verurteilten langjährigen Russland-Spion aus dem österreichischen Bundesheer. Und ganz besonders geht es auch um die schillernde Causa rund um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott und Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek, die gemäß Verdachtslage Russland zugearbeitet haben sollen – die Vorwürfe werden bestritten.
Eines lässt sich sagen: Der neue Kalte Krieg hat längst begonnen. Russland hat den Westen unterwandert – politisch, militärisch und wirtschaftlich. In Bezug auf Österreich konnte die besonders freundschaftliche Fassade lange darüber hinwegtäuschen. Doch die Frage, wie man in Zukunft mit Putin und Russland umgehen soll, ist eine, welche die österreichische Bevölkerung durchaus polarisiert:
Soll sich Österreich in jeder Hinsicht neutral verhalten – nicht nur militärisch? Soll man weiterhin vermeintlich billiges Gas aus Russland kaufen? Haben die Ukraine und die NATO Putin zum Angriff provoziert? Einer, der versucht, derartige Fragen aus der Sicht Kyjiws (Kiews) zu beantworten, ist der ukrainische Botschafter in Österreich, Vasyl Khymynets. Im profil-Interview mit Siobhán Geets berichtet er, wie er in Sachen Meinungsbildung insbesondere auf österreichische Bürgermeister zugeht. Was die wirtschaftliche Verflechtung angeht, ist Khymynets der Meinung, dass es gegenüber Russland kein Vertrauen mehr geben könne. Nachzulesen im E-Paper.
Österreich hat zugunsten wirtschaftlicher Vorteile sehr lange darauf vertraut, dass Putin keine ernste Gefahr darstellen würde. Das war ein Trugschluss. Wie es dazu kommen konnte und wie es nun weitergeht, ist Thema im neuen Podcast.
Hören Sie rein! Jeden Montag eine neue Folge – hier und auf allen Podcast-Plattformen.