SPÖ-Chef Andreas Babler: Fehlt die Zugkraft?
Am Beginn von Andreas Bablers Marsch an die SPÖ-Spitze konnte sich Michael Ludwig eine kleine Bosheit nicht verkneifen. Er habe großen Respekt vor dem Traiskirchner Bürgermeister, denn auch er, Ludwig, sei nur ein Bürgermeister und würde sich die Bundespolitik daher nicht so ohne weiteres zutrauen. Babler wagte es. Vier Monate nach seiner Kür ist die SPÖ-interne Begeisterung über den neuen Vorsitzenden ungebrochen.
Besorgnis bei Genossinnen und Genossen sollten allerdings die Umfragen erregen. Die SPÖ kommt nicht vom Fleck, wie die aktuelle profil-Erhebung von Unique research zeigt. Die FPÖ liegt bei 32 Prozent, die ÖVP bei 24 Prozent, die SPÖ bei 21 Prozent. Schlechter würde es der Partei unter Pamela Rendi-Wagner auch nicht gehen.
Messias der eigenen Schar
Die einfache Erklärung wäre: Wie jeder Messias wird auch Babler nur von der eigenen Schar verehrt. Bei der breiten Bevölkerung zieht er nicht. Die komplexere Begründung: Babler konzentriert sich derzeit noch darauf, die SPÖ wiederaufzurichten. Auch im Herbst tourt er durchs Land, um den einfachen Parteimitgliedern und Sympathisanten Hoffnung zu bringen. Was er sagt und tut, richtet sich daher primär nach innen.
Allerdings darf Babler den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, um nicht nur die roten, sondern alle Herzen zu gewinnen. Politik bedeutet auch gutes Timing. Die bisherigen Möglichkeiten, seine Ideen einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren, versemmelte er. Auch wenn Bablers Stärke in der spontanen Verfertigung der Gedanken beim Reden liegt, würden etwas Vorbereitung und Klarheit bei TV-Interviews nicht schaden. So bleibt von ihm bisher nur eine Botschaft hängen: „Eat the Rich!“
Rote Selbstbestäubung
Babler will Kanzler werden. Seine Strategie dazu kann man als zweifache Wette begreifen. Zum einen setzt er darauf, dass die soziale Frage das große Wahlkampfthema ist und sein Klassenkampf-Ansatz die richtige Antwort darauf. Zum zweiten muss er hoffen, dass das Themenfeld Migration/Asyl/Integration kein großes Wahlkampfthema wird. Sein hemdsärmelig humanitärer „I hüf olle Menschn“-Zugang ehrt Babler als Bürgermeister der Flüchtlingslager-Gemeinde Traiskirchen. Die Mehrheit der Österreicher, gerade in der klassischen SPÖ-Zielgruppe, befürwortet aber eine rigide Migrationspolitik. Bablers bisher größter (zu seinem Glück kaum kommentierter) Fehler war es denn auch, das SPÖ-Papier zu Integration und Zuwanderung der Landeshauptmänner Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser öffentlich zu hinterfragen. Jahrelang hatten die Sozialdemokraten zuvor um eine einheitliche Linie gerungen. Nun macht der neue SPÖ-Vorsitzende dieses Fass ohne Not wieder auf.
Derzeit befindet sich die SPÖ noch in einer Phase der optimistischen Selbstbestäubung und überlässt die Auseinandersetzung mit FPÖ-Obmann Herbert Kickl der ÖVP und Kanzler Karl Nehammer, wie Meinungsforscher Peter Hajek im aktuellen profil-Podcast ausführt. Im November halten die Sozialdemokraten einen zweitätigen Parteikonvent in Graz ab, an dem die Innenschau abgeschlossen wird. Wenn danach die Umfragen weiterhin nicht steigen, ist die Frage zulässig, ob die Bundespolitik nicht doch zwei Nummern zu groß für einen Bürgermeister ist.