SPÖ-Vorsitz: Austria’s next Gusenbauer?
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser ist „wirklich sehr genervt“, und David Egger, der als Salzburger SPÖ-Chef mitten im Landtagswahlkampf steckt, will, dass „dann endlich eine Ruhe ist“. Das offen ausgetragene Duell zwischen Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil um den Parteivorsitz ist zwar unausweichlich, der Verdruss darüber ist aber groß - und verständlich. Denn die FPÖ zieht der SPÖ seit Wochen in Umfragen davon, während die Sozialdemokratie bis zur Klärung der Vorsitzfrage praktisch führungslos sein wird. Hans Peter Doskozil will in den nächsten Tagen ein „Team Doskozil“ formieren und macht klare Ansagen: Er würde als Landeshauptmann gehen, wenn er Spitzenkandidat wird - das kann auch erst 2024 sein. Hinter Rendi-Wagner schließen der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sowie die SPÖ-Frauenorganisation die Reihen.
Wäre eine solche Situation, in der zwei verfeindete Lager einander die Führung streitig machen, nicht die ideale Steilvorlage, für einen dritten, unbeschädigten Kandidaten; oder für eine Kandidatin? Es wäre zumindest nicht das erste Mal, dass die Sozialdemokratie sich eines solchen Kniffes bedient. 2000 war es nämlich so: Karl Schlögl, damals SPÖ-Chef in Niederösterreich, ritterte mit Caspar Einem um die Nachfolge des bis dahin roten Bundeskanzlers Viktor Klima. Klima war zuvor an Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP gescheitert (es folgte das Kabinett Schüssel-Haider), die SPÖ musste nach dreißig Jahren in der Regierung erstmals in die Opposition. Der linke Parteiflügel rund um Einem wollte Schlögl; der rechte Parteiflügel rund um Schlögl wollte Einem verhindern - so griff die SPÖ auf Gusenbauer zurück, der dann bis 2008 Bundesparteivorsitzender blieb.
Alfred Gusenbauer im Nationalratswahlkampf 2002, Karl Schlögl 2000 im Niederösterreich-Wahlkampf
Den damals ausgebooteten Karl Schlögl erinnert die jetzige Situation an die Gemengelage vor gut 23 Jahren: „Die, die damals gegen mich waren, sind auch heute gegen Doskozil, zum Beispiel die Gewerkschaft oder Teile der Wiener SPÖ.“ Schlögl fände jedoch eine Gusenbauer-Lösung kontraproduktiv - damals wie heute, wie er betont. Schlögl ist freilich befangen; Gusenbauer hat immerhin die Nationalratswahl 2006 gewonnen.
Dezimierte Basis entscheidet zwischen Streithähnen
„Ich sehe keine Mitte zwischen den beiden Kandidaten“, sagt Schlögl auf die Frage, ob es seiner Einschätzung nach eine Drittkandidatur gegen könnte. Auch die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle zweifelt daran: „Ich sehe aktuell keinen weiteren Kandidaten. Mir fällt nur ein Name ein, der in der Position wäre, integrierend zu wirken und zusammen zu führen - Michael Ludwig. Aber der will derzeit nicht.“ Kurz kursierte zwar der Name Barbara Teiber - Teiber ist die Bundesvorsitzende der roten Gewerkschaft GPA und saß bis 2018 im Wiener Landtag. Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig hat diese Option allerdings schon klar verneint. Auch Ex-Kanzler Christian Kern kokettiert immer wieder mit einer Kandidatur, wiegelt entsprechende Aufforderungen dann jedoch ab.
Die rote Basis - die sich übrigens in den vergangenen Jahren stark dezimiert hat, wie sie hier nachlesen können - dürfte sich also auf eine Wahl zwischen den beiden Streithähnen einstellen. Wer auch immer am Ende als Sieger:in dasteht - der Spalt, der durch die Partei geht, wird durch einen polarisierenden Zweikampf nicht gekittet.
„Wenn Doskozil Bundesparteichef wird, würde das Ganze mitunter nur mit umgekehrten Vorzeichen weitergehen,“ meint die Politikwissenschaftlerin Stainer-Hämmerle.
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Lena Leibetseder