Steirisches Regierungsprogramm: Viel Symbolpolitik, wenig Konkretes
Die steirische Landtagswahl war eine Denkzettelwahl, die den FPÖ-Landesparteiobmann Mario Kunasek an sein politisches Ziel führte: den Landeshauptmannsessel. Bereits am Dienstag wurde das Regierungsprogramm der neuen blau-schwarzen Koalition präsentiert. Erste Analysen des 134 Seiten umfassenden Dokuments fokussierten sich jedoch vor allem auf symbolische Projekte wie die Einrichtung einer Dokumentationsstelle für politischen Islam, eine Taskforce gegen Sozialbetrug sowie ein Kopftuch- und Genderverbot im Landesdienst.
Mit diesen Projekten setzen die Freiheitlichen erwartungsgemäß klare Akzente in ihren Kernthemen Zuwanderung und Corona. Diese Vorhaben zeichnen sich durch eines aus: Sie sind kostengünstig, vergleichsweise schnell umsetzbar und haben keinen direkten Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Steiermark. „Das Regierungsprogramm trägt eine deutlich blaue Handschrift“, sagt Politikwissenschaftlerin Kathrin Praprotnik von der Universität Graz im Gespräch mit profil. „Gerade im Bereich Asyl und Migration führt die FPÖ mit strikten und klaren Ansagen.“ Dass die ÖVP in der medialen Wirkung so ins Hintertreffen gerät, sei vermutlich auf den abrupten Wechsel der Parteiführung zurückzuführen, meint die Politikwissenschafterin.
Aber was bewegte die Steirerinnen und Steirer wirklich? Nachwahlbefragungen zeigen, dass zwei Themen die Wählerschaft deutlich stärker beschäftigen als Zuwanderung: Gesundheit und Pflege (38 Prozent) sowie die Teuerung (42 Prozent) führten das Ranking der drängendsten Anliegen an. Was hat die neue Koalition in diesen Bereichen zu bieten?
Großbaustelle: Spitäler
Zwar kann eine Landesregierung nur bedingt Einfluss auf die Teuerung nehmen und bestenfalls mit Subventionen die Auswirkungen der Wirtschaftsflaute abmildern. Doch die Spitäler und Pflegeeinrichtungen sind klar in der Verantwortung des Landes. „Der geplante Stopp beim Leitspital hat das größte Sprengpotenzial“, betont Praprotnik. Das geplante Krankenhaus Liezen sei eng mit der Person des ehemaligen Landeshauptmanns und Gesundheitslandesrats Drexler verbunden gewesen. „Das ist kein Kompromiss zwischen FPÖ und ÖVP geworden, sondern die FPÖ hat sich ganz klar durchgesetzt.“
Dem ÖVP-Prestigeprojekt des Leitspitals Liezen hat der FPÖ-Chef einen Riegel vorgeschoben und einen Projektstopp verhängt – vorerst. Wie es mit der Gesundheitsversorgung weitergeht, bleibt offen. Die bestehenden Spitäler sollen jedenfalls doch nicht aufgelassen werden, stattdessen soll Rottenmann als Leitspital ausgebaut werden. Für ein Problem ist allerdings weiter keine Lösung in Sicht: Die steirischen Kliniken und Pflegeheime leiden unter massivem Personalmangel. Zwischenzeitlich mussten sogar OPs stillgelegt werden. Während die Führung der Landeskliniken in der Fusion kleinerer Spitäler zu großen Einheiten ein Effizienzpotenzial sah, wurde dieser Ansatz von den Wählerinnen und Wählern klar abgelehnt. Wie will die neue Landesregierung das Personalproblem lösen? Im Regierungsprogramm findet sich dazu konkret: 20 zusätzliche Medizinstudienplätze, die langfristig den Personalmangel lindern sollen.
Dass die FPÖ das Thema Personalmangel durchaus ernst nimmt, zeigt eine nachträgliche Anpassung ihrer Pläne zum Kopftuchverbot. Auf Anfrage der „Kleinen Zeitung“ stellten die Freiheitlichen klar: Schulen und Krankenhäuser, also Lehr- und Gesundheitspersonal, werden laut FPÖ von dem Verbot nicht betroffen sein. Die Regelung gelte lediglich für das Verwaltungspersonal des Landes, als „Bekenntnis zu einer neutralen Verwaltung“. Dies könnte als indirektes Eingeständnis verstanden werden, dass das Gesundheitssystem ohne die Mitarbeit von Zugewanderten noch schlechter dastünde.
Wirtschaftspolitik ohne konkretes
Kunasek und seine schwarze Stellvertreterin Manuela Khom stehen vor einer Wirtschaftskrise. Ob die Landesregierung mit symbolischen Projekten langfristig punkten kann, wird sich erst zeigen. Zwar bekennt sich die Koalition zum Industriestandort Steiermark und möchte diesen durch „bessere Rahmenbedingungen“ stärken, doch bleibt unklar, was konkret damit gemeint ist. Neben der klassischen Forderung nach einer Lohnnebenkostensenkung vom Bund sieht das Arbeitsübereinkommen die Erhaltung der Flugverbindung Wien-Graz vor. Man bekennt sich zudem zur „Technologieoffenheit“ im Verkehr – was bedeutet, dass der Verbrennungsmotor weiterhin eine Rolle spielen soll. Ebenso wird keine LKW-Maut auf Landes- und Gemeindestraßen eingehoben – so wie es bisher der Fall war. Ein solcher Ansatz klingt allerdings kaum nach einem Gamechanger für die angeschlagene Industrie.
Die Industrie, die etwa ein Drittel der Wertschöpfung des Landes ausmacht, schwächelt europaweit und besonders in der Steiermark. Zwar liegt die Arbeitslosenquote im Bundesschnitt, doch in der klassischen Industrie steigen die Zahlen rasant. Im November stieg die Quote von 5,5 im Vorjahr auf nunmehr 6,3 Prozent. Ein Problem, das im Regierungsprogramm keine Erwähnung findet.
Während das Programm in Wertefragen klare Positionen einnimmt, mangelt es der Wirtschaftspolitik noch an Substanz. Lediglich die Ankündigung, an einem „Steiermark-Plan“ zu arbeiten, um gezielte Investitionen zu fördern, findet sich im Programm.
Immerhin räumt der neue Landeshauptmann ein: „Die Finanzen sind angespannt.“ Bis Jänner will Kunasek nach „Einsparungsmöglichkeiten“ in den Ressorts suchen.